Meine Spur löscht der Fluß
die Dinge hineinkommen.«
Und da Ishi ja wisse, daß er Zauberknoten schlingen könne, habe er die so angelegt, daß die Geister sie nicht öffnen könnten, sich höchstens selber in den Knoten verfingen. Und dann könne man sie ja leicht in die Gebeine zurückdrängen.
Ishi ging einigermaßen beruhigt weg. Er rauchte nicht mehr vor der Abreise, hielt sich auch mit dem Essen zurück und badete noch sorgfältiger als je zuvor.
Den Salon im Pullmancar, den Kroeber bestellt hatte, fand er dann auch so prächtig, daß er schon vor der Abfahrt zusehends das Interesse der anderen Reisenden für die seltsame Gruppe auf sich lenkte und im noblen Salon die Höflichkeitsbezeugungen des Zugpersonals, das interessiert nach Bogen und Pfeilen schielte, genoß.
Er begann alles mit dem elfjährigen Saxton Pope zu inspizieren, der sich genauso wie sein Vater auf das Unternehmen gefreut hatte. Während Kroeber, Waterman und Pope sich von ihren Frauen verabschiedeten, suchten die beiden herauszufinden, wie man das Herunterklapp-, das Herauszieh- und das Umdrehbett am besten in die richtige Lage bekam. Sie knipsten verdeckte Wandleuchten ein und aus und studierten die private Toilette mit Waschgelegenheit, an die kein anderer Reisender herankam.
Ishi wollte auf dem obersten Bett schlafen, weil er da ein wenig zu klettern hatte. Und dann war da noch ein Knopf neben der Schiebetür, mit krausen Zeichen darunter. Ishi wollte nicht den hochaufgeschossenen Saxton fragen, wozu dieser Knopf diene, sondern drückte einfach auf ihn. Kurz darauf erschien der Kellner und fragte nach ihren Wünschen. Saxton Pope junior errötete, aber Ishi zeigte sich der Situation gewachsen. Er bestellte Bier, Wasser und Zucker.
Der dunkelhäutige Kellner riß die Augen auf, aber dann verneigte er sich und kam sehr bald mit dem Gewünschten und zwei Gläsern wieder.
»Bier ist gut«, sagte Ishi zu Saxton, »aber man muß es mit viel Wasser verdünnen und Zucker dazugeben, dann ist es auch gesund.«
Nachher reichten die Damen noch die Hand zum Fenster herein, um sich von Ishi zu verabschieden, und er lächelte sein altes Lächeln und sagte seinen Abschiedsspruch, als der Zug sich schon in Bewegung setzte: »Ihr bleibt, ich gehe.«
In Vina, nördlich von Oroville, verließen die fünf den Zug. Ishi reichte einen großen Teil des Gepäcks dem Schaffner hinaus, der es auf dem Bahnsteig stapelte. Als er dann als letzter den Zug verließ, ließ er nobel und dezent ein 25-Cent-Stück in die Hand des verblüfften Schaffners gleiten.
»Für deine Mühe«, sagte er würdevoll und zuckte schon im nächsten Augenblick erschreckt zusammen.
Kroeber und Waterman unterhielten sich mit einem Mann, einem Rancher, den er kannte.
Schlagartig verwandelte sich der Maitag in einen naßkalten nebligen Spätherbsttag, er sah sie auf dem Bärenpfad auftauchen, den Rancher und dahinter die weißen Männer, die ihn am Vortag beim Fischen entdeckt hatten. Er hatte gewußt, aus welcher Richtung sie kommen würden, und sie vor Wowunupo mu tetna im dichten Unterholz erwartet. Der Rancher ging voran, und er wollte wenigstens noch einen Weißen töten, und daher mußte er auf den Rancher früh genug schießen. Er schoß zu früh, verfehlte allerdings sein Ziel nur knapp. Er hatte eine Menge Entschuldigungen für sein Versagen, den Nebel, die Kälte, die den Bogen starr machte, nicht zuletzt seine kranke Mutter, der er vorher Bandagen aus Hirschleder um die Beine gewickelt und die er dann mit Fellen zugedeckt hatte. Ihre Schwäche hatte sich gewiß auf ihn übertragen. Er traf nicht. Er hatte zum erstenmal einen Menschen töten wollen. Es war keine Jagd gewesen. Er hatte gezittert. Er war den Felshang hinaufgeklettert und hatte sich hinter jungen Kiefern versteckt, den Schrei eines Hähers hatte er nachgeahmt, und kurz danach hatte er seine Schwester mit dem alten Onkel davoneilen sehen, in die andere Richtung, so gut der Alte konnte...
Ishi machte sich am Gepäck zu schaffen, da rief Kroeber: »Daß ich’s nicht vergesse, Mr. Apperson, hier ist unser Mr. Ishi, der in sein Land zurückgekommen ist.«
»Willkommen in Ihrem Land, Mr. Ishi!« sagte Mr. Apperson, der Rancher, und streckte Ishi die Hand entgegen, die dieser nur zögernd ergriff. »Auch mein Sohn freut sich, Sie kennenzulernen. Er hat schon 1909 — oder war’s noch 1908? — mit Professor Waterman nach Ihnen gesucht. «
Ishi schwieg und lächelte unergründlich. Mehr konnte man wirklich nicht von ihm verlangen.
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