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Meines Bruders Moerderin

Meines Bruders Moerderin

Titel: Meines Bruders Moerderin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irene Rodrian
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drohten Schmerz und Trauer sie zu überwältigen. Sie vermisste ihn so sehr. Aber das war sentimentale Schwäche. Und genau die konnte sie sich gerade jetzt nicht leisten. Direkt vor ihr stand die Beute des Jahres. Mr. Platin. Wie alle anderen reagierte auch er mit leichter Zeitverzögerung auf das Geschrei der Engländerin. Wandte sich zu ihr um. Ihr Mann brüllte nun auch und fuchtelte mit beiden Händen aufgeregt in die Richtung, in der die beiden kleinen Diebe verschwunden waren.
    Barbara war jetzt dicht hinter Mr. Platin. Sie atmete wieder tief aus ein, aus ein und wurde ruhig. Sie bewegte sich wie in Trance vorwärts, griff sanft nach der Uhr an seinem Arm, schob den Verschluss auf und ließ sie in ihre Hand gleiten, schlug kurz an seine linke Schulter und zog gleichzeitig mit einer schlangenweichen Bewegung die Geldbörse aus seiner rechten Hosentasche.
    Sie bewegte sich langsam und geschmeidig. Verschmolz mit der Menge. Sie hörte noch die Sirene eines Polizeiautos, dann schlüpfte sie zwischen zwei Taxis hindurch und in die nächste Nebenstraße. Barbara schob sich in einen Hausgang, um die Beute zu prüfen.
    Eine bis zum Bersten gefüllte Klappbörse mit diversen Seitenfächern. Helles Ziegenleder. Robert Reimann. Deutscher, sechsundfünfzig Jahre alt. Dann doch. Jede Menge Kreditkarten, nur Gold und Platin, Fotos von diversen Bikiniblondinen und eins von vier niedlichen Kindern im Alter von fünf bis zwölf. Ein dicker Packen Bargeld in verschiedenen Währungen. Und die Platinuhr. Fünfundzwanzigtausend Dollar grob geschätzt. Der Jackpot.
    Barbara wollte sich gerade umwenden, als sie brutal gepackt und im Polizeigriff in die Knie gezwungen wurde. Sie stöhnte auf. Eine braun gebrannte Hand durchsuchte sie. Sie kannte die Hand. Knapp über dem Knöchel war ein heller Streifen, wo die Uhr gesessen hatte. Barbara ließ die Muskeln schlaff werden, bis sich der Polizeigriff lockerte. Dann trat sie zu. Knappe Drehung unter der Schulter hindurch, und die Ferse in seine Weichteile.
    Ein kurzes Stöhnen über ihrem Kopf, der Polizeigriff verstärkte sich im Reflex, und ein unerträglich scharfer Schmerz schoss hoch bis in ihren Schädel. Sie schrie. Wehrte sich, trat und biss um sich.
    »Ist ja gut«, er drehte sie wie ein Steak auf der Grillpfanne herum. Mr. Platin, direkt über ihr. Ihr Gesicht doppelt in seinen blauen Brillengläsern. Sie verstummte. Es hätte sowieso kein Mensch reagiert. Er hielt sie fest, zog die Platinuhr aus ihrer einen Westentasche, die Geldbörse aus der anderen. »Und nun?«
    Barbara dachte an das Messer, das sie in ihrer Hose verborgen bei sich trug. Sie schwieg, bewegte sich nicht.
    Mr. Platin musterte sie interessiert. »Sie sind sehr schön.«
    Barbara schwieg weiter.
    Mr. Platin lächelte. »Okay, Sie tun zwar alles, um das zu verbergen, aber ich hab's doch bemerkt. Sie sind wunderschön.« In seiner Brille das Haus von gegenüber, winzig gewölbt mit hunderten von Balkonen und Sonnenmarkisen. Weiße Zähne. »Allein diese Augen! Sind Sie überhaupt ein echtes Mädchen oder sind Sie ein Kobold?«
    Barbara bewegte sich nicht.
    »Ich würde Sie gern einladen. Zu einem Kaffee oder einem Glas Champagner. Oder was auch immer.«
    Barbara schnaubte höhnisch durch die Nase. Es gelang ihr nicht so ganz in der schmerzhaft gekrümmten Haltung.
    »Die Frage ist nur, wieweit kann ich Ihnen trauen«, seine platinlose Hand tastete an ihr herunter, fand das Messer und in der kleinen Innentasche ihrer Hose den Führerschein. »Aha!«, kaum verhohlener Triumph, »Barbara Dyckhoff«, er lockerte den Griff unwesentlich. »Meinen Namen kennen Sie ja bereits. Robert Reimann.«
    Barbara änderte ihre Strategie. »Bitte. Sie tun mir weh.«
    »Oh, sorry«, er lockerte den Griff weiter und zog sie ein Stückchen höher zu sich herauf. Goldene Blaureflexe auf seiner Brille. »Ich will Ihnen um Gottes willen nicht wehtun. Ich möchte doch nur ein Glas Champagner mit Ihnen trinken. Ich möchte Sie zu einem festlichen San-Juan-Essen einladen, ich möchte mit Ihnen vom Dach Barcelonas aus das Feuerwerk betrachten. Ich möchte nichts weiter, als diese Nacht mit Ihnen verbringen. Nichts sonst.«
    Er roch nach frischer Seife, offenem Meer und dem Wind der Berge. »Und?« Barbara hätte sich ohrfeigen können für den Säuselton in ihrer Stimme. Sie räusperte sich. »Und wieso knallen Sie mir nicht einfach Ihre Keule über den Schädel und schleppen mich in Ihre Höhle?«
    »Das würde ich sehr gern. Ehrlich. Viel

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