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Meines Bruders Moerderin

Meines Bruders Moerderin

Titel: Meines Bruders Moerderin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irene Rodrian
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lieber als Sie mit all den Fingerabdrücken auf meiner Brieftasche und Ihrem Führerschein der Polizei zu übergeben.«
    Er drehte sie so dicht zu sich heran, dass sie wie ein Liebespaar aussehen mussten. Eine Gruppe junger Leute rannte lachend direkt an ihnen vorbei. Keiner schaute her, die Show spielte auf den Ramblas. Hoch über den Häusern explodierten die ersten großen tartas . Rote, blaue, goldene oder regenbogenbunte Feuerwerksrosen.
    Sie wollen mich erpressen?!« Sie hätte ihn in die Nase beißen können, so nah war sein Gesicht.
    Er lächelte. »Ja, genau.«
    Grotesk. Der Kerl war mehr als doppelt so alt, so groß und so schwer wie sie. Plötzlich klickte es. Er war ihr vorhin schon irgendwie bekannt vorgekommen. Und sie hatte das verdrängt wie all die anderen Warnsignale auch. Jetzt erinnerte sie sich an den Artikel und sein Foto in El Pais. Rob Reimann. Millionär und Playboy.
    »Was könnte ich Ihnen schon bieten?« Er lachte. »Du gefällst mir.«
    »Es gibt viel schönere Mädchen als mich. Und blond bin ich auch nicht.«
    »Wer sagt denn, dass nur Blondinen schön sind?«, er grinste. »Ach so, du hast in meiner Brieftasche gekramt.« Sein Grinsen wurde breiter. Er sah jung aus in dem Moment. Und sehr ehrlich. »Komm, lass uns zu meinem Haus fahren.« Barbara spürte ein Ziehen im Magen. Er sah sie an. Sehr nah. »Keine Polizei. Okay?«
    Barbara nickte und wusste gleichzeitig, dass das falsch war. Absolut falsch, extrem falsch. Der größte Fehler ihres Lebens.
    Trotzdem nickte sie.
    Reimann küsste sie ganz leicht auf die Stirn, bevor er sie losließ. Dann legte er ihr den Arm um die Schulter, als wären sie wirklich ein Liebespaar, und schob sie durch Nebenstraßen, Gassen und Hinterhöfe bis zum Hospital de la Santa Creu.
    Er schwieg, bewegte sich sicher, kannte sich aus.
    Barbara spielte sein Spiel notgedrungen mit. Aber je weiter sie sich von dem fröhlichen Lärm der Ramblas entfernten, desto mehr schlug ihre Angst in Panik um.
    Auf dem Hotelparkplatz hinter dem alten Kloster Sant Agustí blieb er vor einem nachtschwarzen Porsche 911 GT2 mit Barcelona-Nummer stehen. Naturweiße Ledersitze. Er ließ sie kurz los, um nach dem Autoschlüssel zu suchen.
    Sie wog ihre Fluchtchancen ab. Sie liebte Barcelona, aber diese Stadt war schließlich nicht die ganze Welt. Barbara sprach fünf Sprachen, sie konnte auch in Berlin, London, Mailand oder Paris klarkommen. Oder in New York.
    »Du kommst nicht mal bis zum Flughafen«, er hielt ihr die Tür auf. Der Duft von Seidenlack und Saffian.
    Sie stieg ein.

2
    Nina Simone im Autoradio. It's cold out here. Reimann schien vollkommen aufs Fahren konzentriert. Auch, wenn sie im Stau standen. Er sah nicht zu ihr her, er fasste sie nicht an. Er machte keine Anspielungen. Er schwieg. Er fuhr, als wäre er allein im Auto. Das war schlimmer, als wenn er sie angegrapscht hätte. Darauf hätte sie immerhin reagieren können.
    Barbara tat, als hätte sie sich in ihr Schicksal ergeben, beobachtete, registrierte, suchte fieberhaft nach einem Ausweg. Er hatte ein Auto mit Barcelona-Nummer, er hatte ein Haus hier. Man konnte davon ausgehen, dass er wenigstens etwas Spanisch sprach. Aber er hatte sie sofort auf Deutsch angesprochen. Und sie sah nun wirklich nicht deutsch aus. Sie verstand nicht, was er von ihr wollte. Nur Sex? Kaum vorstellbar. Da hatte Mr. Platin doch ganz andere Möglichkeiten. Liebe auf den ersten Blick? Haha. Diese und ähnliche Illusionen hatte Barbara schon in frühester Kindheit verloren.
    Reimann fuhr auch nicht wie erwartet nach Norden in die Berge hinauf, er fuhr in den Süden, Richtung Hafen. Girona. Vermutlich hatte er da eine dieser Millionärsvillen. Barbara wollte nur noch eins, raus aus diesem verdammten Porsche. Reimann bog beim Columbusdenkmal auf die Ronda Litoral ab und fuhr nach Barceloneta rein.
    Das passte plötzlich. Die Segelschuhe und dieser Matrosengeruch. Und die Erinnerung an den Zeitungsartikel. Reimann war Segler. Sicher hatte er eine Yacht im Hafen liegen. Barbara wurde schlecht, wenn sie nur an die Möglichkeit dachte, dass er sie mit auf sein Boot und aufs Meer hinausnehmen könnte. Rechts vor ihr lag der Yachthafen. Die Sonne stand tief, halb verdeckt vom Club Nautico auf der anderen Seite. Auch hier Musik bis zum Anschlag und das Krachen von Feuerwerksraketen. Bunte Lichter spiegelten sich im Wasser. Menschentrauben.
    Reimann bog vorher ab. Barbara fühlte sich schlagartig vom Leben und jeder Hilfe abgeschnitten. Eine

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