MeIster der Lust: Erotischer Roman (German Edition)
einordnete, hatte ihn einmal als Jimmy-Somerville-Karrikatur bezeichnet. Amos war der einzige Mann, zu dem sie nicht aufschauen musste. Weil er seine rot-braunen Haare nicht mochte, rasierte er sie sich so kurz, dass nur noch Flaum seinen Kopf bedeckte. Seine Gesichtsform bildete ein ungewöhnliches Dreieck, breite Stirn und spitzes Kinn, wie auf den Darstellungen von Aliens. Sie fragte sich, ob sein Mund nicht längst ausgetrocknet war, denn immer, wenn sie ihn traf, stand der einen Fingerbreit offen, als hätte er noch Sekunden zuvor an seinem Daumen gelutscht. In sein »Shaun of the Dead«-T-Shirt hätte sie auch noch mit reingepasst. Gott bewahre, schoss es ihr durch den Kopf. Sie schämte sich sogleich über ihre abfälligen Gedanken, bemerkte dann jedoch seine nackten Füße und bemühte sich, nicht die Nase zu rümpfen. Es war keine gute Idee von ihm gewesen, sie barfuss zu besuchen. Nicht nur, da der Flur selten geputzt wurde und der Boden empfindlich kalt war, sondern vielmehr weil seine Zehnägel den Eindruck erweckten, er würde an ihnen knabbern, wenn ihm seine Zombie- und Horrorfilme zu gruselig wurden. Kate vermutete, dass er zu jeder DVD , die in Stapeln seine Wohnzimmerwände säumten, ein passendes T-Shirt besaß.
Endlich rührte sich Amos. Verlegen wedelte er mit dem Arm und versteckte ihn schließlich hinter seinem Rücken, als wäre er bei etwas Verbotenem erwischt worden. »Entschuldigt, ich wollte nicht stören.«
»Das tust du nicht. Ich wollte sowieso gerade gehen. Mach es gut, Amos. Bye, Kate.« Auf dem Weg ins Erdgeschoss nahm Milow immer zwei Stufen auf einmal.
Kate hörte die Haustür zufallen. Einen Moment lang war es still im Treppenhaus des vierstöckigen Gebäudes. Auffordernd schaute sie Amos, ihren einzigen Nachbarn auf der obersten Etage, an, doch er lächelte nur und schwieg, genauso wie vor drei Wochen, als sie sich bei ihm für den Strauß Lilien bedankt hatte, die vor ihrer Wohnung lagen. »Was kann ich für dich tun?«
Verdutzt über ihre Frage, runzelte er die Stirn. Schließlich hielt er ihr eine kleine Dose hin, auf deren vier Seiten der Big Ben abgebildet war. »Kannst du mir etwas Tee borgen? Hab vergessen, welchen zu kaufen.«
»Natürlich.« Sie nahm ihm die Büchse ab, ohne ihn darauf hinzuweisen, dass der kleine unabhängige Supermarkt am Ende der Birch Road um diese Uhrzeit längst geöffnet hatte und sich über jeden Anwohner, der dort einkaufte, freute. »Gib mir einen Augenblick.«
Rasch ging sie in die Küche, streckte sich und nahm ein Porzellangefäß aus dem Regal über der Arbeitsfläche. Als sie sich umdrehte, erschreckte sie sich, so dass sie es beinahe hätte fallen lassen, denn Amos stand grinsend nur wenige Schritte von ihr entfernt. »Ich habe dich nicht gehört.«
Amos ließ seine Schultern hängen. »Sorry, ich gehe sehr leise. Meine Mutter sagt, ich würde schleichen wie ein Einbrecher.«
Peinlich berührt stellte sie beide Gefäße auf den Tisch. Dabei fiel ihr Blick auf den Schreibblock, der noch immer neben ihrer halb geleerten Tasse lag. Bei dem Gedanken an die Sexliste wurden ihre Wangen heiß. Betont lässig, aber innerlich angespannt, nahm sie den Block und tat so, als würde sie etwas notieren.
»Ich kaufe dir neuen Tee, versprochen«, beeilte er sich zu sagen und wirkte dabei so euphorisch, als handelte es sich um ein Date. »Ich bringe ihn dir heute Mittag.«
»Das brauchst du nicht, ich habe noch genug.« Sie drehte sich zur Küchenzeile, legte den Block in den Schrank auf die Essteller und schloss die Tür. Als sie sich wieder Amos zuwandte, war er auf einmal neben ihr. Er sollte wirklich Schuhe tragen, dachte sie, und zwar Stepptanzschuhe, die bei jedem Schritt klappern.
Sie füllte etwas Tee für ihn ab und schob ihre Nervosität auf die Strichliste. Amos konnte nichts dafür, dass sie unruhig war und ja, auch ein wenig gereizt auf ihn reagierte. Er war ein netter Kerl und ein ruhiger Nachbar, denn er empfing außer Nigel Stew, der sich hin und wieder eine DVD bei ihm auslieh, nie Besuch und guckte seine Filme stets in Zimmerlautstärke an. Amos und Nigel verstanden sich gut, Kate allerdings ging dem Hausmeister wenn möglich aus dem Weg. Seit ihrer Kündigung drängte er sie ständig, schon früher auszuziehen, weil die Nachmieter Verwandte von ihm waren.
»In zwei Wochen muss die Schlüsselübergabe stattfinden, schließlich wollen Ihre Nachmieter noch renovieren. So wie Sie das Apartment hinterlassen haben …«, fuhr er
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