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Meisternovellen

Meisternovellen

Titel: Meisternovellen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Zweig
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entsetzlich das war – dann spannten sich ihre Züge, und dann … dann
lachte
sie mit einem Male … lachte sie mir mit einer unsagbaren Verächtlichkeit ins Gesicht … mit einer Verächtlichkeit, die mich zerstäubte … und die mich berauschte zugleich … Es war wie eine Explosion, so plötzlich, so aufspringend, so mächtig losgesprengt von einer ungeheuren Kraft, dieses Lachen der Verächtlichkeit, daß ich … ja, daß ich hätte zu Boden sinken können und ihre Füße küssen. Eine Sekunde dauerte es nur … es war wie ein Blitz, und ich hatte das Feuer im ganzen Körper … da wandte sie sich schon und ging hastig auf die Tür zu.
    Unwillkürlich wollte ich ihr nach … mich entschuldigen … sie anflehen … meine Kraft war ja ganz zerbrochen … da kehrte sie sich noch einmal um und sagte … nein, sie
befahl:
    ›Unterstehen Sie sich nicht, mir zu folgen oder nachzuspüren … Sie würden es bereuen.‹
    Und schon krachte hinter ihr die Türe zu.«

    Wieder ein Zögern. Wieder ein Schweigen … Wieder nur dies Rauschen, als ob das Mondlicht strömte. Und dann endlich wieder die Stimme.
    »Die Tür schlug zu … aber ich stand unbeweglich an der Stelle … ich war gleichsam hypnotisiert von dem Befehl … ich hörte sie die Treppe hinabsteigen, die Haustür zumachen … ich hörte alles, und mein ganzer Wille drängte ihr nach … sie … ich weiß nicht was … sie zurückzurufen oder zu schlagen oder zu erdrosseln … aber ihr nach … ihr nach … Und doch konnte ich nicht. Meine Glieder waren gleichsam gelähmt wie von einem elektrischen Schlag … ich war eben getroffen, getroffen bis ins Mark hinein von dem herrischen Blitz dieses Blikkes … Ich weiß, das ist nicht zu erklären, nicht zu erzählen … es mag lächerlich klingen, aber ich stand und stand … ich brauchte Minuten, vielleicht fünf, vielleicht zehn Minuten, ehe ich einen Fuß wegreißen konnte von der Erde …
    Aber kaum daß ich einen Fuß gerührt, war ich schon heiß, war ich schon rasch … im Nu eilte ich die Treppe hinab … Sie konnte ja nur die Straße hinabgegangen sein zur Zivilisation … ich stürzte in den Schuppen, das Rad zu holen, sehe, daß ich den Schlüssel vergessen habe, reiße den Verschlag auf, daß der Bambus splittert und kracht … und schon schwinge ich mich auf das Rad und sause ihr nach … ich muß sie … ich muß sie erreichen, ehe sie zu ihrem Automobil gelangt … ich muß sie sprechen … Die Straße staubt an mir vorbei … jetzt merke ich erst, wie lange ich oben starr gestanden haben mußte … da … auf der Kurve im Wald knapp vor der Station sehe ich sie, wie sie hastig mit steifem geradem Schritt hineilt, begleitet von dem Boy … Aber auch sie muß mich gesehen haben, denn sie spricht jetzt mit dem Boy, der zurückbleibt, und geht allein weiter … Was will sie tun? Warum will sie allein sein? … Will sie mit mir sprechen, ohne daß er es hört? … Blindwütig trete ich in die Pedale hinein … Da springt mir plötzlich quer von der Seite etwas über den Weg … der Boy … ich kann gerade noch das Rad zur Seite reißen und krache hin …
    Ich stehe fluchend auf … unwillkürlich hebe ich die Faust, um dem Tölpel eines hinzuknallen, aber er springt zur Seite … Ich rüttle mein Fahrrad hoch, um wieder aufzusteigen … Aber da springt der Halunke vor, faßt das Rad und sagt in seinem erbärmlichen Englisch: ›You remain here.‹
    Sie haben nicht in den Tropen gelebt … Sie wissen nicht, was das für eine Frechheit ist, wenn ein solcher gelber Halunke einem weißen ›Herrn‹ das Rad faßt und ihm, dem ›Herrn‹, befiehlt, dazubleiben. Statt aller Antwort schlage ich ihm die Faust ins Gesicht … er taumelt, aber er hält das Rad fest … seine Augen, seine engen, feigen Augen sind weit aufgerissen, in sklavischer Angst … aber er hält die Stange, hält sie teuflisch fest … ›You remain here‹, stammelt er noch einmal. Zum Glück hatte ich keinen Revolver bei mir. Ich hätte ihn sonst niedergeknallt. ›Weg, Kanaille!‹ sage ich nur. Er starrt mich geduckt an, läßt aber die Stange nicht los. Ich schlage ihm noch einmal auf den Schädel, er läßt noch immer nicht. Da faßt mich die Wut … ich sehe, daß sie schon fort, vielleicht schon entkommen ist … und versetze ihm einen regelrechten Boxerschlag unters Kinn, daß er hinwirbelt. Jetzt habe ich wieder mein Rad … aber wie ich aufspringe, stockt der Lauf … bei dem gewaltsamen Zerren hat sich die Speiche verbogen …

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