Memoiren einer Tochter aus gutem Hause
es ihm selbst jemals möglich sein werde.
Während meine Zukunft sich entschied, kämpfte Zaza ihrerseits um ihr Glück. Ihr erster Brief strahlte noch Hoffnung aus. Der folgende war weniger optimistisch. Nachdem sie mich zu meinem Erfolg bei der ‹Agrégation› beglückwünscht hatte, schrieb sie mir: ‹Es fällt mir in diesem Augenblick ganz besonders schwer, fern von Ihnen zu sein. Ich hätte so sehr nötig, mit Ihnen in kleinen Dosen, ohne dass immer etwas sehr Bestimmtes oder sorgfältig Überlegtes dabei herauskäme, von dem zu sprechen, was seit drei Wochen meine Existenz ausmacht. Neben einigen Momenten der Freude habe ich bis zum letzten Freitag vor allem schreckliche innere Unruhe und viele Schwierigkeiten gehabt. An diesem Tage habe ich von Pradelle einen längeren Brief bekommen, in dem mehr steht, in dem diesmal mehr Worte mir erlauben, mich an unwiderlegliche Zeugnisse zu halten, um gegen einen Zweifel anzukämpfen, von dem ich mich niemals völlig befreien kann. Ich nehme verhältnismäßig mühelos ziemlich beträchtliche Schwierigkeiten auf mich: die Unmöglichkeit, über die Sache – wenigstens im Augenblick – mit Mama zu sprechen, die Aussicht, dass noch lange Zeit vergehen wird, bis meine Beziehungen zu P. sich präzisieren werden (aber das ist nicht einmal so wichtig, so ganz über alle Maßen genügt mir die Gegenwart). Das Ärgste sind die Zweifel, die wechselnden Stimmungen, die Anwandlungen völliger Leere, auf die hin ich mich manchmal frage, ob alles, was geschehen ist, nicht am Ende nur ein Traum war. Wenn dann aber die Freude in ganzer Fülle zurückkehrt, schäme ich mich wiederum, dass ich so feige war, nicht mehr daran zu glauben. Es fällt mir im Übrigen schwer, den P. von jetzt mit dem von vor drei Wochen im Geiste zu identifizieren oder seine Briefe mit verhältnismäßig nicht weit zurückliegenden Begegnungen in Zusammenhang zu bringen, bei denen wir einander noch so fern, noch so rätselhaft waren; manchmal kommt es mir vor, als sei alles nur ein Spiel und müsse plötzlich in die Wirklichkeit, in die Totenstille von vor ebenjenen drei Wochen zurücksinken. Wie soll ich es nur anstellen, ihn wiederzusehen, ohne dass ich am liebsten davonlaufen möchte vor diesem Burschen, dem ich so viele Dinge geschrieben habe, während ich doch kaum den Mund aufbringen würde, wenn ich ihm jetzt begegnete, so einschüchternd würde, das fühle ich, seine Gegenwart auf mich wirken. Oh! Simone, was schreibe ich Ihnen da, wie schlecht drücke ich das alles im Grunde aus. Eine einzige Sache wäre wert, dass ich sie Ihnen sage, nämlich, dass es wundervolle Augenblicke gibt, in denen alle Zweifel und Schwierigkeiten von mir abfallen wie Dinge, die von jedem Sinn entleert sind, Augenblicke, in denen ich nur die unwandelbare, tiefe Freude verspüre, die über alle Unzulänglichkeiten hinweg bestehen bleibt und mich völlig durchdringt. Dann genügt der Gedanke, dass er existiert, um mich zu Tränen zu rühren, und wenn ich denke, dass er ein wenig für mich und durch mich existiert, so versagt mir das Herz fast schmerzhaft unter dem Ansturm eines zu großen Glücks. So, Simone, steht es also mit mir. Von dem Leben, das ich führe, mag ich Ihnen heute Abend nicht noch sprechen. Die große Freude, die aus meinem Inneren strahlt, gibt ganz kleinen Dingen in diesen Tagen zuweilen großen Wert. Vor allem aber bin ich müde, weil ich trotz des intensiven Lebens, das ich in meinem Inneren verberge, und eines großen Bedürfnisses nach Einsamkeit gezwungen bin, auch weiter alle Ausflüge in die Umgegend, alle Tennispartien, Teeeinladungen und Zerstreuungen mitzumachen. Die Post ist das einzige wichtige Ereignis des Tages … Ich habe Sie niemals mehr geliebt als jetzt, meine liebe Simone, und fühle mich Ihnen von ganzem Herzen nahe!›
Ich antwortete ihr mit einem langen Brief, in dem ich sie aufzurichten versuchte; in der folgenden Woche schrieb sie mir: ‹Ich fange an, friedvoll glücklich zu sein, meine liebe, liebe Simone, und wie gut tut mir das! Ich habe jetzt die Gewissheit, dass nichts mehr ihn mir fortnehmen kann, eine wunderbar süße Gewissheit, die allem Auf und Nieder meiner Gefühle, aller Auflehnung ein Ende macht. Als ich Ihren Brief erhielt … war ich noch nicht völlig aus der Unruhe heraus. Ich besaß nicht genügend Vertrauen, um die sehr liebevollen, aber sehr leisen Briefe richtig zu lesen, die Pradelle mir schrieb, und hatte gerade einen Brief an ihn abgesandt, den
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