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Memoria

Memoria

Titel: Memoria Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Khoury
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an der Tür, er geht hin. Sobald er die Tür aufmacht, schießen sie ihn nieder. Da bin ich sicher. Ich habe zwei Schüsse mit Schalldämpfer gehört und dann ein Poltern, als er zusammengebrochen ist. Dann sind sie ins Haus eingedrungen, und ich bin einfach durchgedreht. Ich habe einem von ihnen ein Messer in den Hals gerammt, dann bin ich gerannt. Ich habe mir Alex geschnappt und … die Garage hat eine Tür zum Garten, und … ich habe gemacht, dass ich wegkam.» Sie seufzte schwer. «Ich habe ihn einfach da zurückgelassen, Sean. Vielleicht war er verletzt, vielleicht hätte ich ihm noch helfen können, aber ich bin einfach abgehauen. Ich habe ihn da zurückgelassen und bin abgehauen.»
    Das machte ihr offenbar schwer zu schaffen. Ich musste sie von ihrem schlechten Gewissen abbringen. «Du hattest keine andere Wahl, Mish. Du hast das Richtige getan.» Mein Gehirn versuchte, alles, was sie gesagt hatte, zu verarbeiten, und stolperte dabei über riesige Lücken im Gesamtbild, Lücken, groß wie Canyons. «Hast du die Polizei gerufen?»
    «Ich habe den Notruf gewählt. Habe die Adresse angegeben, gesagt, dass es eine Schießerei gegeben hatte, und dann habe ich aufgelegt.»
    Mir fiel ein, was sie gerade gesagt hatte. «Du hast gesagt, du hast dir Alex geschnappt. Wer ist Alex?»
    «Mein Sohn. Mein vierjähriger Junge.»
    Ich nahm ihr Zögern wahr, konnte spüren, wie sie die nächsten Worte abwog. Als sie weitersprach, traf es mich wie ein K.-o.-Schlag über dreitausend Meilen Entfernung.
    «Unser Junge, Sean. Er ist unser Sohn.»

Kapitel 3
    Unser Sohn?
    Zwei kleine Wörter, und ich hatte das Gefühl, als täte sich ein riesiger, gähnender Abgrund auf, der mich verschlang.
    Ich fühlte, wie mein Mund trocken wurde, wie mir das Blut in den Kopf schoss, meine Brust sich verengte.
    «Unser Sohn?»
    «Ja.»
    Alles um mich herum verschwand. Die Autos und Fußgänger, die in der sengenden Hitze vorbeizogen, das banale Treiben in einem Vorstadt-Einkaufszentrum an einem sonnigen Samstagvormittag – mit einem Mal erstarb alles, als sei plötzlich eine Glasglocke über mich gestülpt, die mich von der übrigen Welt abschnitt.
    «Wovon redest du?»
    «Wir beide. Unten in Mexiko. Da ist was passiert. Wie, hast du das schon vergessen?»
    «Nein, natürlich nicht, aber … Bist du sicher?»
    Jetzt war ich derjenige, der unter Schock stand und um Worte rang, versuchte, etwas Zeit zu gewinnen, während mein Verstand sich mühte aufzuholen. Was für eine dumme Frage. Ich hätte sie nicht zu stellen brauchen – ich kannte Michelle gut genug, um zu wissen, dass sie mit so etwas nicht spaßte. Sie war absolut glaubwürdig. Wenn sie wollte, konnte sie witzig sein, sogar richtig albern, aber wenn es um ernste Dinge ging, um wirklich bedeutsame Dinge, kannte sie keine Dummheiten. Wenn sie sagte, ich sei der Vater, musste es die Wahrheit sein.
    Beängstigend, das mal eben so zu erfahren.
    Ich wusste noch etwas über sie: Sie konnte es nicht leiden, wenn jemand in Frage stellte, was sie sagte, erst recht nicht jemand, dem sie so nahegestanden hatte wie meiner Wenigkeit, und schon gar nicht, wenn es um etwas so Wichtiges ging.
    «Ich hatte nicht nebenbei was mit einem anderen. Du bist der Vater. Ich dachte, das sollte klar sein.»
    Das war es allerdings.
    «So habe ich das nicht gemeint», ruderte ich zurück.
    «Doch, das hast du. Aber es ist schon okay. Du bist sauer. Und das ist dein gutes Recht.»
    In mir tobte ein Sturm widersprüchlicher Gefühle. Ich weiß, das war egoistisch nach dem, was Michelle gerade durchgemacht hatte, aber schließlich bekommt man nicht alle Tage am Telefon gesagt, dass man einen vierjährigen Sohn hat.
    «Ja, schon, ich bin sauer», gestand ich. «Himmel, Mish. Wie konntest du mir das verschweigen?»
    «Ich … Es tut mir leid, Sean.» Sie klang jetzt zerknirscht. «Wirklich. Ich wollte es dir sagen. Und natürlich nicht unter solchen Umständen, aber … Es war nicht leicht. Es dir zu verschweigen. All die Jahre. Ich habe so oft zum Telefon gegriffen, um dich anzurufen und es dir zu erzählen … aber jedes Mal … hat mich irgendwas zurückgehalten.» Sie schwieg kurz, dann fuhr sie fort: «Es tut mir leid, ich hätte es dir nicht sagen sollen, nicht jetzt, nicht auf diese Weise. Ich … ich kann einfach gerade nicht klar denken.»
    Meine Gedanken überschlugen sich noch immer bei dem Versuch zu begreifen, aber jetzt musste ich dieses Thema vorerst beiseiteschieben und das Gespräch wieder in

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