Mephisto
»Ach, ich amüsiere mich gar zu gut! Ich bin so glänzender Laune, und ich wünschte mir, daß alle Menschen in Deutschland, und überall, glänzender Laune würden!« Die südamerikanische Diplomatenfrau, die nicht gut Deutsch verstand und sich langweilte, lächelte säuerlich.
Die muntere Gattin des Fabrikanten war von solchem Mangel an Enthusiasmus enttäuscht und entschloß sich dazu, weiter zu promenieren. »Entschuldigen Sie mich, meine Liebe!« sagte sie fein und raffte die glitzernde Schleppe. »Ich muß eben mal eine alte Freundin aus Köln begrüßen – die Mutter unseres Staatstheaterintendanten, Sie wissen doch, des großen Hendrik Höfgen.«
Hier tat die Südamerikanerin zum ersten Mal den Mund auf, um zu fragen: »Who is Henrik Hopfgen?« – was die Fabrikantengattin veranlaßte, leise aufzuschreien: »Wie? Sie kennen unseren Höfgen nicht? – Höfgen, meine Beste –, nicht Hopfgen! Und Hendrik, nicht Henrik – er legt größten Wert auf das kleine ›d‹!«
Dabei war sie schon auf die distinguierte Matrone zugeeilt, die am Arme des Dichters und Führerfreundes würdevoll durch die Säle schritt. »Liebste Frau Bella! Es ist eine Ewigkeit her, daß man sich nicht gesehen hat! Wie geht es Ihnen denn, Liebste? Haben Sie manchmal Heimweh nach unserem Köln? Aber Sie befinden sich hier ja in einer so glänzenden Position! Und wie geht es Fräulein Josy, dem lieben Kind? Vor allem: Was macht Hendrik – Ihr großer Sohn! Himmel, was ist aus ihm alles geworden! Er ist ja fast so bedeutend wie ein Minister! Jaja, liebste Frau Bella, wir in Köln haben alle Sehnsucht nach Ihnen und Ihren herrlichen Kindern!«
In Wahrheit hatte sich die Millionärin niemals um Frau Bella Höfgen gekümmert, als diese noch in Köln gelebt und ihr Sohn die große Karriere noch nicht gemacht hatte. Die Bekanntschaft zwischen den beiden Damen war nur eine flüchtige gewesen; niemals war Frau Bella eingeladen worden in die Villa des Fabrikanten. Nun aber wollte die lustige und gemütvolle Reiche die Hand der Frau, deren Sohn man zu den nahen Freunden des Ministerpräsidenten zählte, gar nicht mehr loslassen.
Frau Bella lächelte huldvoll. Sie war sehr einfach, aber nicht ohne eine gewisse ehrbare Koketterie gekleidet; auf ihrer schwarzen, glatt fließenden Seidenrobe leuchtete eine weiße Orchidee. Das graue, schlicht frisierte Haar bildete einen pikanten Kontrast zu ihrem ziemlich junggebliebenen, mit dezenter Sorgfalt hergerichteten Gesicht. Aus weiten, grünblauen Augen schaute sie mit einer reservierten, nachdenklichen Freundlichkeit auf die geschwätzige Dame, die den lebhaften deutschen Kriegsvorbereitungen ihr wundervolles Collier, ihre langen Ohrgehänge, die Pariser Toilette und all ihren Glanz verdankte.
»Ich kann nicht klagen, es geht uns allen recht gut«, sprach mit stolzer Bescheidenheit Frau Höfgen. »Josy hat sich mit dem jungen Grafen Donnersberg verlobt. Hendrik ist ein wenig überanstrengt, er hat rasend zu tun.«
»Das kann ich mir denken.« Die Industrielle schaute respektvoll.
»Darf ich Ihnen unseren Freund Cäsar von Muck vorstellen«, sagte Frau Bella.
Der Dichter neigte sich über die geschmückte Hand der reichen Dame, die sofort wieder zu schwätzen begann. »Ungeheuer interessant, ich freue mich wirklich, habe Sie sofort nach den Photographien erkannt. Ihr Tannenberg-Drama habe ich in Köln bewundert, eine recht gute Aufführung, natürlich fehlen die überragenden Leistungen, wie man sie in Berlin jetzt gewöhnt ist, aber wirklich recht anständig, ohne Frage sehr achtbar. Und Sie, Herr Staatsrat – Sie haben doch inzwischen eine so großartige Reise gemacht, alle Welt spricht von Ihrem Reisebuch, ich will es mir dieser Tage besorgen.«
»Ich habe viel Schönes und viel Häßliches gesehen in der Fremde«, sagte der Dichter schlicht. »Jedoch reiste ich durch die Lande nicht nur als Schauender, nicht nur als Genießender, sondern mehr noch als Wirkender, Lehrender. Mich deucht, es ist mir gelungen, dort draußen neue Freunde für unser neues Deutschland zu werben.« Mit seinen stahlblauen Augen, deren durchdringende und feurige Reinheit in vielen Feuilletons gepriesen wurde, taxierte er den kolossalen Schmuck der Rheinländerin. Ich könnte in ihrer Villa wohnen, wenn ich das nächste Mal in Köln einen Vortrag oder eine Premiere habe, dachte er, während er weitersprach: »Es ist für unseren geraden Sinn unfaßbar, wie viel Lüge, wie viel boshaftes Mißverständnis über unser
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