Wo die Wuerfel fallen
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|7| Vorwort
»Canossagang«, »Pharisäer«, »Edle Einfalt, stille Größe« – Wörter und Redewendungen wie diese stammen aus konkreten geschichtlichen Zusammenhängen. Die meisten sind mit historischen Ereignissen verknüpft, wie in der jüngsten Geschichte »Watergate« oder »Tschernobyl«. Diese beiden Ortsnamen wurden zum Begriff: Watergate ist inzwischen ein Inbegriff für kriminelle politische Machenschaften, Tschernobyl ist zum Synonym für den atomaren Super-GAU geworden.
Den Ursprüngen solcher im weitesten Sinne historischen Begriffe nachzugehen, ist das Anliegen dieses Buches. Woher kommen sie, was passierte damals genau, wer prägte die Begriffe – all das sind interessante Wortgeschichten rund um »Worte, die Geschichte machten«.
Anders als in den beiden vorangegangenen Bänden
Woher kommt das schwarze Schaf?
und
Die alte Schachtel ist nicht aus Pappe
liegt der Schwerpunkt dieses Mal weniger auf der Wortgeschichte im engeren Sinne der Wortherleitung. Vielmehr geht es vorwiegend um die »Geschichtsgeschichte«, um eine kurze Darstellung des historischen Zusammenhangs: Was hat den Pharisäer, einen jüdischen religiösen Gelehrten, eigentlich zum »Pharisäer« gemacht? Was bedeutet ein so umständlich klingender Geschichtsbegriff wie »Reichsdeputationshauptschluss« konkret? Und wer hat erstmals vom »Eisernen Vorhang« gesprochen?
Ausschlaggebend für die Auswahl der Begriffe war in erster Linie, ob sie eine interessante Entstehungsgeschichte haben. »Worte, die Geschichte machten«, können alle möglichen Wortarten sein: Auf den ersten Blick eher »unauffällige« Alltagswörter, die eng mit einem historischen Vorgang oder mit einer bestimmten historischen Epoche verknüpft sind (etwa »spartanisch« oder »auf den Index setzen«), geflügelte Worte wie das von der »babylonischen Sprachverwirrung«, Geschichtsbegriffe wie »Wormser Konkordat« oder »Mauerbau« |8| , Epochenbegriffe (»finsteres Mittelalter«), politische Schlagwörter (»Dolchstoßlegende«, »Republikflucht«) oder übertragene Begriffe wie »Globales Dorf«. Dazu kommt eine Fülle von Redewendungen, die an konkrete historische Ereignisse anknüpfen wie etwa »Nach uns die Sintflut« oder der »Tanz auf dem Vulkan«.
Eine solche Auswahl kann nie vollständig sein. Wie in meinen beiden früheren Büchern sind die Stichworte wieder zu Themen zusammengefasst. Das macht die Zusammenhänge oftmals deutlicher und noch interessanter. Die Begriffe sind in etwa gemäß der zeitlichen Reihenfolge ihres Entstehens angeordnet oder stehen in einem Zusammenhang mit den historischen Ereignissen, denen sie zugeordnet sind. Aufgrund der thematischen Überschneidungen folgt dieses Ordnungsprinzip aber keiner strengen Chronologie. Dieses Buch ist ja auch kein Geschichtsbuch, sondern eines über »Worte, die Geschichte machten«.
Mein herzlicher Dank gilt an dieser Stelle den kritischen Begleitern des Manuskripts Ilse und Oliver Koch, Markus Bennemann und Honke Rambow, die mir mit ihren anregenden Hinweisen geholfen haben.
WS
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|9| Vom Turmbau zu Babel bis zum Nabel der Welt
Aus dem Alten Orient
Schriften, die Geschichte machten
Keilschrift
Die Schreibgeräte der Keilschrift waren keine groben Meißel und Keile, wie der Name vielleicht vermuten lässt, sondern Schilfrohr- oder Holzgriffel, die in weichen Ton gedrückt wurden. Nur die Form dieser Griffel und damit deren Abdruck waren keilförmig. Der Ton trocknete aus und so blieb das Geschriebene erhalten: auf den berühmten Tontafeln.
Um 3500 v. Chr. erfanden die Sumerer, das älteste Kulturvolk des Alten Orients, das Staaten bildete und Steinbauten errichtete, eine Art Bilderschrift, die konkrete Dinge darstellte.
Man hat inzwischen auch eine Vorstellung davon, was auf den Tontafeln steht, die man zu Abertausenden in den Museen der Welt aufbewahrt: keine Gedichte, keine mythischen Urworte, keine Gebete, Märchen oder Legenden, von Romanen ganz zu schweigen. Die meisten enthalten Rechnungen, Verträge und Magazin- und Vorratslisten etwa für die Steuer- und Tempeladministration oder andere Verwaltungsbereiche. Mit anderen Worten: es handelt sich um Buchhaltung – die etwas andere Form von Literatur. Die älteste Bilderschrift-Tontafel aus Sumer datiert um 3300 v. Chr. Die Entwicklung der eigentlichen Keilschrift, bei der einzelne Silben in stark vereinfachten Keilzeichen wiedergegeben werden, beginnt um 3000 v. Chr.
Hieroglyphen
Das älteste bekannte
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