Mephisto
Träumerisch sagte sie noch: »Es ist merkwürdig – ich spüre irgendeine geheimnisvolle Ähnlichkeit zwischen Dora Martin und Hendrik …« Dies erregte allgemeine Verwunderung.
»Die Martin ist eine Jüdin.« Es war der junge Hans Miklas, der sich unvermittelt so vernehmen ließ. Alle schauten betroffen und etwas angewidert zu ihm hin. – »Der Miklas ist köstlich«, sprach die Motz in ein betretenes Schweigen hinein und versuchte zu lachen. Kroge runzelte die Stirne, verwundert und degoutiert, während Frau von Herzfeld nur den Kopf schütteln konnte; übrigens war sie blaß geworden. Da die Pause lang und peinlich wurde – der junge Miklas stand, bleich und trotzig an die Theke gelehnt –, sagte Direktor Kroge schließlich ziemlich scharf: »Was soll denn das?« und machte ein Gesicht, so böse, wie es ihm eben möglich war. Ein anderer junger Schauspieler, der sich bis dahin leise mit Vater Hansemann unterhalten hatte, sagte forsch und versöhnlich: »Hoppla, das ist daneben gegangen! Laß nur, Miklas, so was kann vorkommen, du bist sonst ein ganz braves Kind!« Dabei klopfte er dem Übeltäter auf die Schulter und lachte so herzlich, daß alle einstimmen konnten; sogar Kroge entschloß sich zu einer Heiterkeit, die freilich krampfhaften Charakter hatte: er schlug sich mit der flachen Hand auf den Schenkel und warf den Oberkörper nach vorne, so heftig schien er sich plötzlich zu amüsieren. Miklas aber blieb ernst; er drehte das verstockte, bleiche Gesicht zur Seite, die Lippen böse aufeinander gepreßt. »Sie ist doch eine Jüdin.« Er sprach so leise, daß fast niemand es hören konnte; nur Otto Ulrichs, der gerade erst durch seine Unbefangenheit die Situation gerettet hatte, hörte es, und nun strafte er ihn mit einem ernsten Blick.
Nachdem Direktor Kroge durch sein Gelächter ausführlich bekundet hatte, daß er die Entgleisung des jungen Miklas durchaus von der komischen Seite nahm, winkte er Ulrichs. »Ach Ulrichs, kommen Sie doch bitte mal einen Augenblick!« Ulrichs setzte sich an den Tisch zu den Direktoren und Frau von Herzfeld.
»Ich will mich nicht in Ihre Angelegenheiten mischen, wirklich nicht.« Kroge ließ es sich anmerken, daß die Sache ihm äußerst peinlich war. »Aber es kommt jetzt immer häufiger vor, daß Sie in kommunistischen Versammlungen auftreten. Gestern haben Sie schon wieder irgendwo mitgemacht. Das schadet Ihnen doch, Ulrichs, und uns schadet es auch.« Kroge sprach leise. »Sie wissen doch, wie die bürgerlichen Zeitungen sind, Ulrichs«, sagte er eindringlich. »Suspekt sind wir den Leuten ohnedies. Wenn eines unserer Mitglieder sich nun politisch exponiert – es kann verhängnisvoll für uns sein, Ulrichs.« Kroge trank sehr hastig seinen Cognac aus, er war sogar etwas rot geworden.
Ulrichs antwortete ruhig. »Es ist mir sehr erwünscht, Herr Direktor, daß Sie von diesen Dingen zu mir sprechen. Natürlich habe ich auch schon über sie nachgedacht. Vielleicht ist es besser, wir trennen uns, Herr Direktor – glauben Sie mir, daß es mir nicht leicht fällt, diesen Vorschlag zu machen. Aber auf meine politische Betätigung kann ich nicht verzichten. Ihr müßte ich sogar mein Engagement opfern, und das wäre ein Opfer; denn ich bin gerne hier.« Er sprach mit einer angenehmen, dunklen und warmen Stimme. Während er redete, schaute Kroge mit einer väterlichen Sympathie auf sein intelligentes, kraftvolles Gesicht. Otto Ulrichs war ein gutaussehender Mann. Seine hohe, freundliche Stirn, von der das schwarze Haar weit zurückwich, und die engen, dunkelbraunen, gescheiten und lustigen Augen flößten Vertrauen ein. Kroge mochte ihn sehr. Deshalb wurde er jetzt beinah zornig.
»Aber Ulrichs!« rief er aus. »Davon kann doch gar keine Rede sein. Sie wissen ganz genau, daß ich Sie niemals fortlassen würde!« – »Wir können Sie gar nicht entbehren!« fügte Schmitz hinzu – der dicke Mensch überraschte zuweilen durch eine merkwürdig vibrierende, helle und hübsche Stimme –, wozu die Herzfeld ernst bestätigend nickte. »Es ist doch nur ein klein bißchen Zurückhaltung, worum ich Sie bitte«, versicherte Kroge.
Ulrichs sagte mit Herzlichkeit: »Ihr seid alle sehr nett zu mir – wirklich sehr nett –, und ich werde mir Mühe geben, daß ich euch nicht gar zu sehr kompromittiere.« Die Herzfeld lächelte ihm vertraulich zu. »Es ist Ihnen ja wohl nicht ganz unbekannt«, sagte sie leise, »daß wir politisch weitgehend mit Ihnen sympathisieren.« – Der Mann,
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