Mephisto
mit dem sie in Frankfurt verheiratet gewesen war und dessen Namen sie führte, war Kommunist. Er war viel jünger als sie und hatte sie verlassen. Zurzeit arbeitete er in Moskau als Filmregisseur.
»Weitgehend!« betonte Kroge mit lehrhaft erhobenem Zeigefinger. »Wenngleich nicht ganz, nicht in allen Stücken. Nicht alle unsere Träume haben sich in Moskau erfüllt. Können die Träume, die Forderungen, die Hoffnungen der Geistigen sich erfüllen unter der Diktatur?«
Ulrichs antwortete ernst, wobei seine engen Augen noch schmaler wurden und einen beinah drohenden Blick bekamen: »Nicht nur die Geistigen – oder die, welche sich so nennen – haben ihre Hoffnungen und Forderungen. Noch dringlicher sind die Forderungen des Proletariats. Diese waren, so wie die Welt heute ist, nur zu erfüllen mittels der Diktatur.« Hier zeigte Direktor Schmitz ein bestürztes Gesicht. Ulrichs, um dem Gespräch eine leichtere Wendung zu geben, sagte lächelnd: »Übrigens wäre auf der Versammlung gestern das Künstlertheater beinah durch sein prominentestes Mitglied repräsentiert worden. Hendrik wollte eigentlich auftreten – im letzten Augenblick ist er dann leider verhindert gewesen.«
»Höfgen wird immer im letzten Augenblick verhindert sein, wenn es sich um Angelegenheiten handelt, die bedenklich für seine Karriere werden könnten.« Kroge hatte verächtlich den Mund verzogen, während er dies sagte. Hedda von Herzfeld sah ihn flehend und kummervoll an. Als aber Otto Ulrichs mit Überzeugung äußerte: »Hendrik gehört zu uns«, lächelte sie erlöst. »Hendrik gehört zu uns«, wiederholte Ulrichs. »Und er wird das durch die Tat beweisen. Seine Tat wird das Revolutionäre Theater sein. In diesem Monat soll es eröffnet werden.«
»Noch ist es nicht eröffnet.« Kroge lächelte boshaft. »Zunächst ist nur das Briefpapier da, mit der schönen Überschrift ›Revolutionäres Theater‹. Nehmen wir aber sogar einmal an, es kommt zur Eröffnung: glauben Sie, Höfgen wird sich heraustrauen mit einem wirklich revolutionären Stück?«
Ziemlich heftig erwiderte Ulrichs: »In der Tat glaube ich das! Übrigens ist das Stück ja schon ausgesucht – man kann wohl sagen, daß es ein revolutionäres ist.« Kroge machte, mit der Miene und Gebärde eines müden und verächtlichen Zweifels: »Wir werden ja sehen.« Hedda von Herzfeld, die bemerkte, daß Ulrichs rot wurde vor Ärger, fand es geraten, nunmehr das Thema zu wechseln.
»Was war das eigentlich vorhin für eine phantastische kleine Äußerung von diesem Miklas? Stimmt es also doch, daß der Bursche Antisemit ist und mit den Nationalsozialisten zu tun hat?« Bei dem Wort »Nationalsozialisten verzerrte sich ihr Gesicht vor Ekel, als hätte sie eine tote Ratte berührt. Schmitz lachte verächtlich, während Kroge sagte: »So einen können wir gerade gebrauchen!« Ulrichs versicherte sich durch einen Seitenblick, daß Miklas ihnen nicht zuhörte, ehe er mit gedämpfter Stimme erklärte:
»Hans ist im Grunde ein guter Kerl – ich weiß das, denn ich habe mich oft mit ihm unterhalten. Mit so einem Jungen muß man sich viel und nachsichtig beschäftigen – dann gewinnt man ihn vielleicht noch für die gute Sache. Ich glaube nicht, daß er für uns schon ganz verloren ist. Seine Aufsässigkeit, seine allgemeine Unzufriedenheit sind falsch gelandet – verstehen Sie, was ich meine?« Frau Hedda nickte; Ulrichs flüsterte eifrig: »In so einem jungen Kopf ist alles wirr, alles ungeklärt – es laufen ja heute Millionen herum wie dieser Miklas. Bei denen gibt es vor allem einen Haß, und der ist gut, denn er gilt dem Bestehenden. Aber dann hat so ein Bursche Pech und fällt den Verführern in die Hände, und die verderben seinen guten Haß. Sie erzählen ihm, an allem Übel seien die Juden schuld und der Vertrag von Versailles, und er glaubt den Dreck und vergißt, wer eigentlich die Schuldigen sind, hier und überall. Das ist das berühmte Ablenkungsmanöver, und bei all diesen jungen Wirrköpfen, die nichts wissen und nicht richtig nachdenken können, hat es Erfolg. Da sitzt dann so ein Häufchen Unglück und läßt sich Nationalsozialist schimpfen!«
Sie schauten alle vier zu Hans Miklas hin, der an einem kleinen Tisch in der entferntesten Ecke des Raumes, bei der dicken alten Souffleuse, Frau Efeu, bei Willi Böck, dem kleinen Garderobier, und bei dem Bühnenportier, Herrn Knurr, Platz genommen hatte. Von Herrn Knurr wurde behauptet, daß er ein Hakenkreuz unter dem
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