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Meridian - Flüsternde Seelen

Meridian - Flüsternde Seelen

Titel: Meridian - Flüsternde Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amber Kizer
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und auf meinen Körper zu achten. Ich fühlte, dass eine Seele geradewegs auf mich zusteuerte.
    »Tens?« Ich hörte, wie sich die Sirene eines Krankenwagens näherte, und bemerkte, dass Tens mich festhielt und stützte. Ich hatte in dieser Hinsicht zwar schon viel dazugelernt, doch wenn ich nicht darauf vorbereitet war, dass eine Seele mich aufsuchte, war es ein wenig, als würde ich beim Wellenreiten von einer besonders hohen Woge erfasst und in die Luft gehoben.
    Im nächsten Moment stand ich auf einem Balkon mit Blick auf eine belebte Stadt. Am Eiffelturm und den Champs-Elysées in der Ferne erkannte ich, dass es sich um Paris handeln musste. Von einem kühlen Januarabend war ich in einen Frühlingsnachmittag auf einem anderen Kontinent katapultiert worden.
    »H… hallo«, stammelte ich, nach Atem ringend.
    »Was geschieht hier? Warum bin ich in Paris?« Ein graubärtiger Mann in schwer zu schätzenden mittleren Jahren wippte neben mir auf den Fersen. »Ich sollte doch die Regenrinnen reinigen.«
    »Kommt Ihnen jemand bekannt vor?«, erkundigte ich mich, seinen Fragen ausweichend.
    »Ich war schon seit Jahren nicht mehr hier. Wer sind Sie? O mein Gott, da unten sind ja meine Mutter und mein Großvater. Sie winken mir zu. Aber das kann doch nicht …«
    »Meridian!«
    Ich hörte meinen Namen, zuckte zusammen und drehte mich um.

[home]
    Kapitel 4
    A ls ich mich nach vorn beugte, wäre ich fast durch das Fenster in die andere Welt gefallen. Meine Tante rief mir von der Straße unter mir etwas zu. Sie hatte den Arm um eine blonde Frau gelegt, die nur wenig älter war als ich. Vermutlich war sie früher einmal hübsch gewesen wie eine skandinavische Prinzessin, doch wegen der wulstigen Narben, die den Großteil ihres Gesichts bedeckten und den Hals hinunter verliefen, war das nur noch schwer festzustellen. Die Wunden ließen ihre Haut wie geschmolzenes Wachs aussehen. Während meine Tante kräftig und lebendig wirkte, wechselte die Frau ständig zwischen stabil und milchig-durchsichtig. Flehend bewegte Tante Merry die Lippen, doch obwohl sie rief, konnte ich sie wegen des Verkehrslärms, der auf den Straßen der Stadt toste, nicht hören.
    Ich lehnte mich weiter aus dem Fenster, womit ich alle Anweisungen meiner Tante, ich müsse unbedingt auf meiner Seite geerdet bleiben, in den Wind schlug. Ich musste sie verstehen, mit ihr sprechen und sie umarmen. Schließlich wusste ich nicht, ob ich sie je wiedersehen würde. Ich spitzte die Ohren und spürte, wie sich der Fensterrahmen in meine Seiten grub. Immer weiter beugte ich mich vor, aber ich hörte nur den Mann. »Meine Mutter … da ist meine Mutter … ich werde bei meiner Mutter sein …«
    Im nächsten Moment lag ich wieder in Tens’ Armen und umklammerte seine Schultern, dass meine Fingerknöchel sich weiß verfärbten. Meine Seite pochte, und ich tastete nach meiner Haut, weil ich mich fühlte, als hätte jemand mit einem Messer auf mich eingestochen. Kein Blut, allerdings würde ein hässlicher Bluterguss entstehen. Ich durfte nicht vergessen, dass Verletzungen, die ich mir auf der anderen Seite zuzog, mir im Diesseits erhalten blieben. Das war die Gefahr, wenn man ohne Anleitung sechzehn wurde. Seelen brachten unabsichtlich Fenestrae um, wenn diese nicht wussten, was zu tun war.
    Der Krankenwagen mit dem toten Mann raste davon, durch eine Nacht, die bereits stiller wurde.
    »Meine Tante war da«, keuchte ich. Ich wollte, dass Tens es erfuhr und mir half, das Unbegreifliche zu erfassen. Mit meinem ganzen Gewicht lehnte ich mich an ihn. Was tat sie dort? Wie war das möglich? Und wer war diese Frau in ihrer Begleitung?
    Tens trug mich zu einer Bank, setzte mich darauf und zog mich an sich. Ich blinzelte, bis ich wieder klar sehen konnte. Wann würde ich mich endlich daran gewöhnen?
    »Tief durchatmen, Merry«, erinnerte er mich streng, aber sanft.
    Ich schmiegte den Kopf tiefer unter sein Kinn und schnupperte den würzigen, sauberen Geruch seiner Seife. Wenn ich nur immer so in seinen Armen hätte liegen können. Sekunden wurden zu Minuten, bis ich mein inneres Gleichgewicht wiedergefunden hatte.
    »Besser?«, fragte er. Ein Außenstehender hätte seinen Tonfall für träge gehalten, aber ich wusste, dass das seine Art war, mich nicht unter Druck zu setzen. Die Anspannung in Oberschenkeln und Kinn straften sein lässiges Gebaren Lügen.
    Ich sah ihm direkt in die Augen. »Sie war dort.«
    »Deine Tante? Wirklich? Ich dachte, du redest wirres

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