Verführ mich undercover!
1. KAPITEL
Brandon Langard war gescheitert. Das war das Tagesgespräch in der Redaktion des Magazins Windy City Bizz, die sich im sechsten Stock eines Bürogebäudes befand. Als klarer Favorit für den Posten des Feuilletonchefs hatte Brandon versprochen, ein Interview mit Jared Ryder zu liefern, aber er hatte versagt.
In diesem Augenblick beobachteten Melissa Warner und ihre Kollegen gefesselt die Konsequenzen von Langards Misserfolg. Die Tür zum Büro von Redaktionsleiter Seth Strickland war zwar geschlossen, doch durch das Innenfenster konnten sie ihn brüllen sehen. Seine Augen sprühten vor Zorn, und sein Gesicht war tiefrot angelaufen. Brandon hatte den Kopf eingezogen.
„Die Titelseite war schon fertig“, flüsterte die Fotografin Susan Alaric über ihren Schreibtisch hinweg Melissa zu.
„Ja, weil Brandon geschworen hat, dass die Sache unter Dach und Fach ist“, flüsterte Melissa zurück und dachte daran, wie er in der Woche zuvor mit seinem tollen Auftrag angegeben hatte.
„Dem fehlt es wirklich nicht an Selbstbewusstsein.“ Susan verdrehte die Augen.
Mit seiner Angewohnheit, vor den weiblichen Redaktionsmitgliedern anzugeben und aufdringlich mit ihnen zu flirten, hatte Brandon sich nicht gerade beliebt gemacht.
„Ich war sicher, dass er es schafft“, sagte Melissa. Brandon mochte unausstehlich sein, aber er war auch ehrgeizig und sehr tüchtig. Und er wusste zweifellos, dass ein ausführlicher Bericht über Chicagos pressescheusten Unternehmer und begehrtesten Junggesellen ihm den Posten des Feuilletonchefs gesichert hätte.
Dass Jared Ryder ein Vermögen auf dem Immobilienmarkt von Chicago verdiente, passte in den Wirtschaftsteil des Magazins. Und der Umstand, dass mindestens die Hälfte der weiblichen Bevölkerung Chicagos für ihn schwärmte, würde die Auflage in die Höhe treiben.
Heftig gestikulierend kam Seth nun hinter seinem überladenen Schreibtisch hervor und baute sich vor Brandon auf. Wortfetzen drangen durch die geschlossene Tür: „… inkompetent … unzuverlässig …“
„Autsch!“ Susan duckte sich.
Melissa empfand beinahe Mitleid für Brandon. Aber dann dachte sie daran, wie er vor einem Monat ihr Gespräch mit der „Women in Business Organization“ belauscht und sich die Story unter den Nagel gerissen hatte. Dafür schuldet er mir noch etwas, dachte sie. Und vielleicht bezahlt er gerade jetzt.
Es würde ihm recht geschehen, wenn sie seine Superstory zu ihrer eigenen machte. Warum auch nicht? Seth brauchte das Interview mit Jared Ryder. Und um Feuilletonchefin zu werden, hätte Melissa alles getan.
Seth hatte aufgehört zu brüllen. Er atmete schwer, wie gemeißelt traten seine Kieferknochen hervor. Als Brandon eilig der Tür zustrebte, stand Melissa auf.
Susan deutete Melissas entschlossenen Gesichtsausdruck richtig.
„Tu es“, spornte sie die Kollegin grinsend an. „Oh, bitte , tu es!“
Melissas Herz schlug schneller. Sie schluckte und versuchte, nicht daran zu denken, was es für ihre Karriere bedeuten würde, wenn sie scheiterte.
Doch als Langard die Redaktionsräume verließ, hatte sie ihre Furcht besiegt. Von allen Seiten trafen sie die Blicke ihrer Kollegen, während sie geradewegs in das Büro des Chefs vom Dienst marschierte.
Sie konnten sich natürlich denken, was sie vorhatte. Und vermutlich waren sie schockiert, dass sie nicht wartete, bis Seth sich beruhigt hatte. Seine Wutausbrüche waren gefürchtet. Normalerweise gingen alle Mitarbeiter wohlweislich in Deckung, bis der Sturm sich gelegt hatte.
Melissa klopfte an die Tür, die noch offen stand. „Seth?“
„Was ist?“, bellte er und raschelte mit den Papieren, die auf seinem Schreibtisch lagen.
Ruhig betrat sie das Büro und schloss die Tür hinter sich.
Seths rundes Gesicht war bis zur Stirnglatze hinauf gerötet und glänzte vor Schweiß, das weiße Hemd mit den hochgerollten Ärmeln war zerknittert. Lose baumelte die Krawatte über seinen ausladenden Bauch.
„Ich kann Ihnen das Interview besorgen.“ Melissa kam direkt zur Sache. Mit gestrafften Schultern und durchgedrücktem Rücken stand sie auf acht Zentimeter hohen Absätzen vor ihrem Chef.
„Was für ein Interview?“
„Das mit Jared Ryder.“
„Nein, können Sie nicht.“
„Oh, doch“, entgegnete sie mit dem Selbstbewusstsein einer Frau, die sich gegen fünf ältere Brüder hatte durchsetzen müssen. „Ich kann. Wann ist die Deadline?“
„Ryder hat Chicago heute Morgen verlassen.“
„Kein Problem. Wo ist
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