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Die Legende der Wächter 3: Die Rettung

Die Legende der Wächter 3: Die Rettung

Titel: Die Legende der Wächter 3: Die Rettung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathryn Lasky
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Blutmorgen

    Der Schweif des Kometen peitschte über den Himmel. Im roten Schein der aufgehenden Sonne schien es, als zöge der fallende Stern eine Blutspur über den Himmel. Alle Eulen hatten sich schon in ihre Höhlen im Großen Ga’Hoole-Baum zurückgezogen, um den Tag zu verschlafen. Alle, nur eine nich t – und diese Eule war Soren. Er saß auf dem obersten Ast des größten und höchsten Ga’Hoole-Baums der Welt und hielt Ausschau nach seinem verehrten Lehrer Ezylryb.
    Der Kreischeulerich war nun schon seit zwei Monaten verschollen. Er war der älteste Lehrer im Baum. In einer Spätsommernacht war er ausgeflogen, um bei jener Aktion zu helfen, die bei den Eulen inzwischen „Die große Rettung“ hieß. Unzählige verwaiste Eulenkinder hatten hilflos auf der Erde gehockt. Sie waren alle vollkommen verstört, manche von ihnen waren so schwer verletzt, dass sie starben. Sie waren nicht in der Nähe ihrer Nester aufgefunden worden, sondern auf freiem Feld, wo es keine größeren Bäume mit Nisthöhlen gab. Wo alle diese Jungeulen, von denen die meisten kaum flügge waren, herkamen, wusste nach wie vor niemand zu sagen. Sie konnten doch nicht vom Himmel gefallen sein! Eines dieser Eulenkinder war Sorens Schwester Eglantine gewesen.
    Seit Soren selbst vor einem knappen Jahr von seinem Bruder Kludd aus dem Nest gestoßen und anschließend von den grausamen Eulen von Sankt Ägolius entführt worden war, hatte er die Hoffnung aufgegeben, seine Schwester und seine Eltern je wiederzusehen. Zwar war ihm schließlich zusammen mit seiner besten Freundin Gylfie, einer jungen Elfenkäuzin, die Flucht aus dem Sankt Äggie gelungen, aber auch danach hatte er nicht mehr an ein Wiedersehen geglaubt. Dann hatten zwei weitere seiner Freunde, der Bartkauz Morgengrau und der Höhlenkauz Digger, bei der großen Rettung mitgeholfe n – und Eglantine gefunden. Der alte Ezylryb, der den Baum sonst nur zu Übungsflügen mit seinen Schülern verließ, hatte ergründen wollen, was hinter dem massenhaften Auftauchen verwaister Eulenkinder steckte. Er war nicht mehr zurückgekehrt.
    Kaum hatte Soren seine Schwester wiedergefunden, hatte er also seinen Lieblingslehrer verloren. Soren fand das furchtbar ungerecht. Das mochte selbstsüchtig sein, aber so war es nun mal. Er verdankte dem griesgrämigen Alten praktisch alles, was er im Baum gelernt hatte. Dabei war Ezylryb nicht eben ein schöner Anblick. Er konnte ein Auge nur noch halb öffnen und am linken Fuß fehlte ihm eine Zehe. Seine tiefe Stimme klang wie fernes Donnerrumpeln. Nein, besonders anziehend war der Kreischeulerich nicht.
    „Geschmackssache“, hatte seine Freundin Gylfie gemeint. Nun, Soren hatte anscheinend Geschmack an dem Alten gefunden.
    Soren war gleich zwei Brigaden zugeteilt worden: den Wetterfliegern und den Glutsammlern, die in brennende Wälder hineinflogen und glühende Holzstücke für die Schmiede des Uhus Bubo beschafften. In beiden Brigaden unterrichtete Ezylryb die Neulinge. Er war ein strenger Lehrer und ließ seinen Schülern keinen Unfug durchgehen, aber er war mit Leib und Seele Ryb und Brigadeführer.
    Brigaden nannte man die kleinen Gruppen, in die alle Eulen eingeteilt waren. Jede Brigade beherrschte eine bestimmte Fähigkeit, die nicht nur für das Überleben der Eulen im Großen Ga’Hoole-Baum wichtig war, sondern für das Wohlergehen aller Eulenvölker. Ezylryb schlug gegenüber seinen Schülern oft einen barschen Ton an. Er konnte aber auch ausgelassen Witze reiße n – ziemlich schmutzige Witze sogar, worüber sich Otulissa, eine Fleckenkäuzin in Sorens Alter, die immer sehr vornehm tat, jedes Mal zu empören pflegte.
    Otulissa bildete sich viel auf ihre Abstammung ein. Ihr Lieblingswort war „unerhört“. Unerhört fand sie vor allem Ezylrybs „Grobheit“, seine „schlechten Manieren“, seinen „ordinären Humor“. Ezylryb seinerseits pflegte Otulissa aufzufordern, „sich nicht so aufzuplustern“, was unter Eulen eine ziemlich unfreundliche Bemerkung ist. Die beiden zankten sich ständig und doch hatte sich Otulissa inzwischen als Brigademitglied bewährt, was Ezylryb durchaus anerkannte.
    Nun aber war das Gezänk verstummt, niemand riss mehr schmutzige Witze. Vorbei waren die tollkühnen Wetterflüge, bei denen sich die Eulen der Wetterbrigade dem Sturm entgegenwarfen, den Böen trotzten, sich kopfüber in die Rinne stürzten und sich in der Rappelschanze durchschütteln ließen. Ohne Ezylryb war das Leben eintönig, das Schwarz

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