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MERS

MERS

Titel: MERS Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D.G. Compton
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exklusives Erschließungsgebiet hoch droben über dem Hafen, jetzt schäbig und heruntergekommen, getrennt von der Stadt durch häßliche, sich immer weiter ausbreitende Sozialbauten. Es war ihre Zufluchtsstätte vor der Welt.
    Das Wohnzimmer der Stollmans, wo Julius seine Stunden gab, war alles, was das Wohnzimmer ihrer Mutter nicht war: es hatte eine hohe Decke, der flämische Stuck oben war grau und spinnwebverhangen, und es war groß genug sowohl für Julius’ riesigen Bösendorfer nebst der übrigen elektronischen Keyboards als auch für schwarze Samtstühle und -sofas mit riesigen, daunengefüllten Kissen sowie schwarze Kaffeetische, alles im schrecklichen Stil der 80er Jahre. Auf dem Boden lag ein großer, rotgemusterter türkischer Teppich, der so zerknittert, staubig und durchgewetzt war, daß er zusammen mit dem Haus entstanden sein mochte. In einer Ecke führte eine im Stil der Nach-Jahrtausendwende laminierte Wandtreppe aus Ulme durch ein Loch im Fußboden zu einem düsteren Halb-Keller und zur Küche. Die abstrakten Bilder auf den metallisch schwarz-silbern gestrichenen Wänden, von denen die Farbe abblätterte, zeigten zumeist feuerrote, heiße Farbkleckse, ausgefranste Scheiben und Rechtecke: neben dem antiken Marmorkamin hatten die Stollmans eine überlebensgroße fotografische Vergrößerung mit sepiafarbenen Klecksen und Punkten von Anka Stollman in ihren Tagen als Sängerin aufgehängt, und ein monumentaler, vergoldeter Vogelkäfig, gegenwärtig leer, die Tür geöffnet, baumelte an einer Kette neben den bis zum Fußboden reichenden Fenstern im Hintergrund. Diese öffneten sich auf einen wackeligen Balkon mit überladenem, schmiedeeisernem Geländer, der, einstmals weiß, in einen Dschungel von Garten hinabführte, worin kaum Blumen wuchsen, sondern langes Gras und immergrüne Bäume und Büsche, die wie Wellen gegen den Balkon schlugen.
    Es war ein Zimmer, eine Lebensweise, die Harriets Mutter bei ihrem ersten und einzigen Besuch, als sie Harriets Stunden arrangiert hatte, skandalös und bedrohlich gefunden hatte. »Man erzählt sich eine Menge Unsinn über das künstlerische Temperament, Kind. Wenn man hübsche Sachen besitzt, ist man dafür verantwortlich, sich darum zu kümmern.«
    An Anka Stollmans Stelle, das wußte Harriet sehr gut, hätte sich ihre Mutter völlig anders um die Sachen gekümmert. Wenn sie sich zum Schwimmen umzog, beispielsweise, hätte Bess Ryder zunächst vorsichtig ihre drei bescheidenen Ringe abgestreift – ein dünner, goldener Ehering sowie ein Ring mit echten Diamanten, den Johan ihr zum ersten Hochzeitstag geschenkt hatte, und ein Skarabäus, den sie von ihrer Mutter zum achtzehnten Geburtstag erhalten hatte. Wenn man ertrinkt, sagte sie, und deine Leiche wird geborgen, dann werden dir so gut wie immer die Ringe gestohlen, also ließ sie diese stets in einem ihrer Schuhe am Strand zurück. Bei mehreren Gelegenheiten hatte Danno sie ›gestohlen‹, einfach nur, weil er ihr Gesicht sehen wollte, aber er hatte sie nachher stets zurückgegeben. Bess achtete auf ihre Sachen.
    Julius stieg in die Küche hinab, den Tee zuzubereiten, und zog den Kopf unter der Biegung der Treppe ein, als er verschwand. Harriet blickte erneut auf die Musik, spielte halbherzig ein paar Takte und hörte dann auf. Sie hätte unter der Woche alle Zeit der Welt, wenn sie von der Schule direkt nach Hause ginge, und zwar in der Stunde, ehe Mama von der Arbeit zurückkehrte. Im Haus auf der Parade war das Klavier, ein aufrecht stehendes japanisches Modell, hinter das Sofa im oberen Wohnzimmer gequetscht worden. Mama beklagte sich niemals richtig über den Lärm, aber manchmal seufzte sie, und Harriet konnte es ihr nicht verübeln. Nirgendwo im Haus konnte man dem Lärm entrinnen.
    Das winzige Haus war Danno gleichfalls ein Ärgernis gewesen. Er war seit sechs Monaten nicht mehr daheim gewesen, aber vielleicht war die Armee daran schuld. Er würde irgendwann an diesem Abend eintreffen, er hatte Freigang am Wochenende und käme vielleicht etwas spät – es war nicht weit, aber er durfte nicht vor fünf Uhr die Kaserne verlassen. Sie freute sich sehr auf seinen Besuch. Weswegen, wußte sie nicht so recht. Er war in diesen Tagen ein Fremder geworden, aber seit seinem Anruf, der seine Ankunft ankündigte, dachte sie an wenig anderes. Sie wollte ihn sehen: er war ihr Bruder. Auch gab es am Samstag eine Disco, und er würde sie vielleicht mitnehmen. Das Tauziehen um jeden Mann unter vierzig war

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