Metropolis brennt
Verstand ist ein wenig … zu rational. Und was sein Problem anbelangt, nun, Pilatus stellte vor dreitausend Jahren dieselbe Frage, und ich kann mich nicht entsinnen, daß sie jemals beantwortet wurde. Es ist die Frage, die die Triebfeder für jede Forschung war, seit es so etwas wie Forschung gibt.
Doch bis zum heutigen Tag ist diese Frage noch niemals fatal gewesen. Normans Frage lautet einfach: Was ist Wahrheit ?“
Es trat eine kurze Pause ein, dann fuhr Nehral fort.
„Er selbst hat sie noch nicht ausgesprochen. Er weiß gar nicht, daß er sie gestellt hat. Aber wir wissen es, weil wir Zugang zu seinem Verstand haben. Das ist die Frage, die er selbst nicht beantworten kann und die dafür verantwortlich ist, daß er gelegentlich aus seiner Hypnose erwacht. Bisher waren es nur blitzartige Einblicke. Sekundenbruchteile rationaler Wahrnehmung. Aber für ihn war das schon schlimm genug. Er hat die Stadt so gehört und gesehen wie sie ist.“
Wieder eine Pause. Flemings Gedanken rasten.
„Das ist das einzige Problem, das wir nicht mittels Hypnose lösen können“, fuhr Nehral fort. „Wir haben es versucht, aber es ist sinnlos. Norman ist eben eine ganz besondere Persönlichkeit. Er sucht nach der Wahrheit.“
„Er sucht nach der Wahrheit“, sagte Fleming nachdenklich. „Aber … muß er sie denn auch finden?“
Seine Gedanken rasten zu Nehrals Gehirn, Stahl auf Feuerstein, und entzündeten dort eine Flamme.
Drei Wochen später bezeichnete der Psychologe Norman als geheilt, worauf er sofort Mia heiratete. Sie fuhren hoch zum Fünften Monument, wo sie Händchen hielten.
„Solange du verstehst …“, sagte Norman.
„Ich gehe mit dir“, sagte sie. „Überallhin.“
„Nun, es wird jedenfalls nicht gleich morgen sein. Ich hatte einen falschen Weg eingeschritten. Man stelle sich doch nur vor, die Barriere überwinden! Nein, ich muß Böses mit Bösem vertreiben. Die Barriere ist das Resultat von Naturgesetzen. Es ist kein Geheimnis, wie sie erschaffen wurde. Aber wie man sie wieder vernichten kann – das seht auf einem anderen Blatt.“
„Sie sagen, sie kann nicht zerstört werden. Eines Tages wird sie von selbst verschwinden, Bill.“
„Wann? Darauf werde ich nicht warten. Es kann allerdings Jahre dauern, denn ich muß zuerst lernen, wie ich meine Waffen richtig einsetzen kann. Das wird jahrelange Studien und praktische Forschungen erfordern. Aber wenigstens habe ich nun ein Ziel.“
„Man kann nicht über Nacht zum Experten für Kernphysik werden.“
Er legte lachend den Arm um ihre Schulter. „Das erwarte ich auch nicht. Eines nach dem anderen. Zuerst muß ich einmal ein guter Physiker werden. Ehrlich und Pasteur und Curie – sie hatten einen Antrieb, eine Motivation. Das habe ich jetzt auch. Ich weiß, was ich will. Ich will hinaus.“
„Bill, wenn du scheitern solltest …“
„Damit rechne ich, jedenfalls anfangs. Aber im Endeffekt werde ich nicht scheitern. Ich weiß, was ich will. Hinaus!“
Sie rückte näher zu ihm, und dann sahen sie beide schweigend hinab auf die freundliche Kulisse der Stadt. Ich kann es eine Weile ertragen, dachte Norman. Besonders mit Mia. Nun, da der Psychologe mein Problem beseitigt hat, kann ich mich an die Arbeit machen.
Über ihnen ging von der Kugel an der Spitze des Monumentes ein sanftes Licht aus.
„Mia …“
„Ja?“
„Ich weiß jetzt, was ich will.“
„Aber er weiß es nicht“, sagte Fleming.
„Stimmt schon“, meinte Nehral fröhlich. „Er wußte im Grunde genommen nie, wie sein Problem aussah. Sie haben die Antwort gefunden. Nicht die, die er wollte, aber die beste. Verdrängung, Ablenkung, Sublimierung – der Name spielt keine Rolle. Im Prinzip war es dieselbe Behandlung wie das Umleiten von Sadismus in wohltätige
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