Metropolis brennt
sprangen auf den Tisch, hechteten mitten durch das buntverglaste Butzenscheibenfenster und spielten ‚Ab durch die Mitte*. Wir fielen auf die stinkenden Mülltonnen, die auf dem Hinterhof rumlagen, und die Ledermänner drehten durch, als sie das sahen. Aber blöd wie sie waren, hatten sie nicht damit gerechnet, daß in uns noch ein Lebensfunke glühte, der uns aufrecht hielt und sagte, daß es jetzt an der Zeit war, die Fliege zu machen.
Und das taten wir dann auch, Van Damm; erinnerst du dich? Wir krochen durch den Müll, wischten uns glitschige Essensreste vom Gesicht, schlugen uns durch Hinterhöfe voll jaulender Katzen und pfeifender Ratten und kamen irgendwie aus dem Häuserdschungel raus. Im Stadtpark schlugen wir uns dann in die Büsche.
Der Mond schien in dieser Nacht, Van Damm, wahrhaftig, alter Junge, aber das wirst du nicht mehr wissen, denn er war zwischen all den buntschillernden chemischen Nachtwolken nur so groß wie eine Liebesperle, und außerdem warst du zu ausgepumpt, um dich von derlei Naturphänomenen beeindrucken zu lassen. Wir hatten an diesem Abend, bevor wir in die Kaschemme geflüchtet waren, ausgemacht, daß wir aus Nordrhein verschwinden wollten, nicht wahr? Wir hätten uns den Ledermännern möglicherweise gar ergeben, wenn wir weitergesoffen und unsere letzten Kräfte auf diese Art vergeudet hätten. Aber die chemische Keule hatte uns Angst gemacht. Wir wollten nicht auf diese Art krepieren, mit heraushängender Zunge, hervorquellenden Augen, blutender Nase und Schaum vor dem Mund. Deswegen türmten wir, Van Damm, und hatten noch mal Glück, auch wenn wir waffenlos waren und niemand einen Pfifferling um unser Leben gegeben hätte.
Nordrhein befand sich in dieser Nacht in einem Riesenaufruhr. Die Ledermänner machten Jagd auf alles, was sich im Zentrum bewegte, und überall brannten große Feuer. Wir hatten das natürlich vorausgesehen, aber daß es dann soweit kommen würde, hat, glaube ich, niemand geahnt.
Weißt du noch, Van Damm, wie wir durch das ausgetrocknete Wupperbecken wateten, ein schmutziges Taschentuch vor der Nase, verdreckt und schwitzend, den Gestank faulender Abfalle auf der Zunge? Wir sind schließlich irgendwo wieder an Land gekrabbelt, in einer sicheren Ecke, wo die Autowracks sich türmten und ein halb im Schlamm vergrabener Laster lag, obwohl du inzwischen auf die Schnauze gefallen warst und mich angefleht hattest, ich solle alleine weitergehen. Aber das konnte ich einem wie dir nicht antun, Van Damm; nicht dir, mit dem ich jahrelang im Untergrund war und von dem ich die besten Überlebenstips bekommen hatte. Wir würden entweder beide durchkommen oder zusammen draufgehen, sagte ich mir, deswegen nahm ich dich auf den Rücken und schleppte dich auf die Straße, von der wir schließlich in der halbzerfallenen Reifenfabrik Unterschlupf fanden.
Mensch, Van Damm, es war wirklich keine Nacht, die man in Bilderbüchern beschrieben sieht. Wir taumelten durch ein Meer piepsender Ratten, suchten uns im ersten Stock eine Bleibe, an die die Biester nicht rankamen und hauten uns hin … Du sahst aus wie eine Leiche, Van Damm, und schliefst sofort ein. Dein Gesicht war weiß wie Schnee und deine Nase spitz wie eine Spindel. Dein Atem rasselte, was mir klarmachte, daß du von dem chemischen Dreck mehr abgekriegt hattest, als du zugeben wolltest und gut für dich war. Du hast im Schlaf immer nur rumgezuckt.
Ich blieb auf, weil ich zu aufgekratzt war, um schlafen zu können. Ich schaute durch ein Loch nach draußen und sah mir die Patrouillen an, die mit Panzerwagen durch die verrotteten Straßen fuhren. Ich sah mir auch den Mond an, der sich in dieser Nacht wahrhaftig anschickte, die dreimal verfluchten Wolkenbänke zu durchstoßen, und einen
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