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Michael, der Finne

Michael, der Finne

Titel: Michael, der Finne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Waltari
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Ein hochgestellter Edelmann bemühte sich um mich; da er aber die geistliche Laufbahn ergreifen sollte, hatte er mir nichts als die unsichere Stellung seiner Geliebten zu bieten; daher wies ich ihn ab. Andere Bewerber von geringerem Stand verschmähte ich. Nun hat mich Gott für meinen Stolz gestraft, und ich werde wohl nie wieder einen Mann ohne Abscheu ansehen können. Vielleicht werde ich, wenn die Ordnung wiederhergestellt ist und die Räuber aus Rom vertrieben sind, in ein Kloster gehen, dessen Regeln nicht zu streng sind.«
    Andy erwiderte: »In den Klöstern Roms wird Platz genug sein, edle Frau, und Ihr werdet große Auswahl haben. Zu San Silvestro beispielsweise ist nur mehr eine einzige Nonne am Leben, und ich sah sie zuletzt nackt durch die Straßen dem Manne nachlaufen, der den Schädel des heiligen Johannes des Täufers stahl. Laßt Euch von Eurem voreiligen, unüberlegten Plan abbringen. Noch weiß niemand, welche Kirche der Kaiser an Stelle der gestürzten aufrichten will. Soviel aber kann ich sagen: Zwölftausend starke Männer haben beschlossen, Doktor Luther, wenn nötig mit Gewalt, zum Papst zu wählen, und Doktor Luther liebt weder Klöster noch Zölibat. Er hat eine Nonne gefreit.«
    Darauf vergaß die Frau erneut ihres Bratens, der unbeachtet ins Feuer fiel. Sie starrte uns mit offenem Mund an und fragte sodann: »So gibt es also nirgends eine Zuflucht für eine schutzlose Frau?«
    Andy nahm das Fleisch aus dem Feuer, roch daran und schnitt die versengten Teile weg. Wir setzten uns an den Tisch und begannen unser Mahl, obwohl das Fleisch auf einer Seite verbrannt, auf der anderen roh war und wir es mit tüchtigen Schlucken Weines hinunterspülen mußten.
    Die Frau barg das Gesicht in den Händen und bejammerte ihre schutzlose Lage; Andy aber tröstete sie mit folgenden Worten: »Ich verstehe Euren Schmerz. Allein auf dieser Welt verliert der Mensch nichts unwiederbringlich, außer sein Leben. Wenn Ihr Zeit gehabt habt, ruhig zu überlegen, werdet Ihr finden, daß das Leben immer noch süß schmecken kann – jedenfalls besser als verbranntes Fleisch. Ich höre, daß einige rohe Gesellen Euch Gewalt angetan haben; aber seid dankbar, daß es nicht Spanier waren, die Euch verstümmelt hätten, um Geld von Euch zu erpressen. Ihr steht nicht schlimmer da als ein Geselle, der im Rausch alle möglichen Torheiten beging und, wenn er nüchtern wird, sich für den elendesten aller elenden Sünder hält. Ihr würdet überrascht sein, zu sehen, wie rasch dieses Gefühl verfliegt, wenn Ihr nach einem Gläschen oder zwei wieder klaren Kopf habt. Laßt mich Euch daher raten: Eßt und trinkt und gewinnt Eure Kräfte wieder, und denkt nur daran, daß Ihr Eurem Vater ein Leichenbegängnis bereitet habt, wie es in diesen Tagen nicht einmal die reichsten und angesehensten Toten in Rom schöner hätten haben können.«
    Seine schlichten Worte belebten die Tochter des Gelehrten und heiterten sie auf. Sie bemühte sich, uns zuzulächeln, und sagte: »Ich bin in der Tat undankbar und habe meine Pflichten als Gastgeberin vernachlässigt. Eure Freundlichkeit läßt mich wünschen, ich hätte mehr Zeit auf die Kochkunst und weniger auf Versemachen und geistliches Drama verwendet. Vielleicht habt Ihr recht; vielleicht wollte mich Gott für meine Anmaßung strafen, indem er es zuließ, daß mein Leib entehrt wurde, den ich so eifersüchtig selbst vor der zartesten Liebkosung hütete. Und wenn auch der Gedanke, daß es noch schlimmer hätte kommen können, nur geringen Trost gewährt, will ich mich doch wie ein Philosoph darein schicken. Ich frage mich nur, wie ich Euch alles vergelten soll, wo ich nicht einmal Fleisch so rösten kann, daß es Euch schmeckt. Doch so Ihr wünschet, will ich Euch einige schöne Verse vorsprechen, oder die Reden der heiligen Magdalena aus dem Passionsspiel, worin ich so großen Beifall fand.«
    Andy aber entschuldigte sich, meinte, er habe seine Pikeniere zu lange allein gelassen, und drang in mich, zum Schutz der edlen Frau im Hause zu bleiben, da ich als Gelehrter die Dichtkunst wohl zu schätzen wisse. So ging er denn und ließ uns in dem zerstörten Haus zurück, das diesem lieblichen Mädchen bis vor zwei Tagen noch ein Heim gewesen war. Wir fanden keine Worte, sondern saßen schweigend beim Schein der Wachskerzen zusammen, bis sie mir endlich leise sagte, sie heiße Lukrezia, und mich bat, mit ihr wie ein Bruder zu sprechen. Sie reichte mir ihre Hände, weil sie fror und sich fürchtete.

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