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Michael, der Finne

Michael, der Finne

Titel: Michael, der Finne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Waltari
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Arzt wird sich hüten, einen Pestkranken zu berühren, und sich auf der anderen Seite des Gemaches aufhalten, wenn er ihn nicht zur Ader lassen muß; dann aber wäscht er sich die Hände in Salz und Essig.
    Ich lag mehrere Tage krank, und meine Gedanken verwirrten sich, so daß ich Andy für Jungfer Pirjo oder Barbara nahm, wenn er mir frisches Wasser brachte oder meine Geschwülste mit essiggetränkten Tüchern benetzte. Während er schlief, hielt Rael Wache bei mir und verscheuchte die Ratten. Nach fünf Tagen aber reiften meine Geschwüre und brachen von selbst auf. Das Fieber legte sich, so daß ich wieder klar denken und erkennen konnte, wo ich mich befand.
    Als Arzt wußte ich, daß ich genesen konnte, wenn ich nur die Zeit der folgenden Schwäche überlebte und genug Nahrung zu mir nahm. Daher gab ich mir alle Mühe, den Haferbrei hinunterzuschlingen, den Andy mir zubereitete, und naschte getrocknete Früchte, deren Süße mich erfrischte. Ich konnte noch nicht selbst vom Bett aufstehen; deshalb ließ Andy, sooft er nach Nahrungsmitteln unterwegs war, die Pikeniere als Wache zurück, weil wir noch immer den Großteil unserer Beute im Hause versteckt hatten. Sie aber vernachlässigten aus Angst vor der Pest oft ihre Pflicht und pflegten im Vertrauen auf die Sicherheit unseres Verstecks die Nachbarhäuser aufzusuchen, um dort zu plaudern und sich mit den Frauen zu vergnügen. Daher ließ Andy eine geladene Büchse an meinem Bett zurück.
    Als ich eines Tages in jener äußersten Schwäche, welche die Pest mit sich bringt, im Bett lag und mein vergeudetes Leben überdachte, hörte ich plötzlich Stimmen. Lukrezia erschien in der Tür und maß mich erstaunt. Sie trug ein flammendrotes Seidenkleid, das Arme und Brust frei ließ; ins Haar hatte sie eine Perlenkette geflochten. Sie trug auch Ohrringe von kostbaren Edelsteinen, und als sie die schlanken Finger mit verwunderter Gebärde an die Lippen führte, blitzten schwere Ringe auf.
    Ich glaubte zuerst, wieder in meine Fieberträume verfallen zu sein; dann aber lächelte ich und rief mit schwacher Stimme: »Lukrezia, Lukrezia!«
    Sie bekreuzigte sich und erwiderte: »Bist du es, Michael? Hast du die Pest? Ich sah das Kreuz an der Tür.«
    Ich befühlte mein bärtiges, abgezehrtes Gesicht und wunderte mich nicht, daß sie mich nicht gleich erkannt hatte. Selbst diese leichte Anstrengung machte mich atemlos. Sie trat näher, vermied es aber sorgfältig, mich zu berühren, und bemerkte dabei eine Brotrinde und etwas Haferbrei in einer irdenen Schüssel neben mir.
    »Hier gibt es zu essen«, rief sie aus und begann an der Rinde zu nagen; dabei starrte sie mich aus ihren schwarzen Augen an. Ein bärtiger Spanier trat breitspurig ein und verschlang gierig den Haferbrei.
    »Um Gottes willen, Lukrezia«, sagte ich. »Das ist alles, was ich zu essen habe, und meine Genesung hängt daran. Hast du alles vergessen, was ich für dich getan habe?«
    Lukrezia aber wandte sich an den Spanier: »Vielleicht hat er noch mehr Eßbares im Bett. Er muß irgendwo auch Geld versteckt haben.«
    Der Spanier zerrte mich an den Fersen aus dem Bett auf den Boden, um seine Hände nicht der Ansteckungsgefahr auszusetzen, und schlitzte mit dem Schwert die Matratze auf. Es war ein hochgewachsener, schmächtiger Kerl mit glänzendem blauschwarzem Bart und trug ein juwelenbesetztes Brustkreuz an einer Goldkette um den Hals.
    Er maß mich streng und unerbittlich und fragte: »Muß ich dir die Fußsohlen mit Pechfackeln versengen, oder willst du uns sagen, wo du Speisen und Geld versteckt hast?«
    »Lukrezia!« rief ich. »Das hätte ich nicht von dir, ja von keinem Menschen gedacht. So belohnst du meine Güte?«
    Sie sagte zu dem Spanier: »Dieser Mann hat mir unauslöschliche Schande angetan. Er vergewaltigte mich, als ich ihm schutzlos ausgeliefert war; dann sollte ich ihm die Hemden waschen. Überdies ist er ein Lutheraner, und es wäre ein gottgefälliges Werk, ihn zu töten.«
    Der Spanier aber wollte mir nicht an den pestverseuchten Leib. So verließen sie die Stube, und ich hörte, wie sie auf der Suche nach unserer Beute das Unterste zuoberst kehrten und Ziegel aus dem Boden hoben. Inzwischen gelang es mir, der Büchse habhaft zu werden; ich spannte sie und blieb, an das Bett gelehnt, auf dem Boden sitzen. Gleich darauf hörte ich Lukrezia mit dem Spanier zanken, und der Mann trat aufs neue ein, einen flammenden Feuerbrand in Händen. Er stutzte aber und hielt ein, als er mich sah. So hatte

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