Mick Jagger: Rebell und Rockstar
hatte, traf sich mit Jagger in London, um ein paar neue Soli einzuspielen. Tatsächlich aber stehen und fallen die neuen Nummern mit Jagger, der sich nicht nur anhört wie er selbst, sondern auch wie einer, der sich in dieses Projekt richtig reingehangen hat. »Es ist schon unglaublich, wie großartig ›Plundered My Soul‹ ist«, sagte Ben Ratliff von der Times über die erste Singleauskopplung des Albums. »Es ist der souligste und energiegeladenste Stones-Song, den ich seit knapp dreißig Jahren gehört habe.« Der Peter Pan des Rock’n’Roll hatte letztendlich einen Weg gefunden, für immer jung zu bleiben. Man identifiziert die jungen Stones so sehr mit dieser Ära, dass man doch etwas entsetzt ist, wenn man in dem Dokumentarfilm Stones in Exile sieht, wie die Senioren Mick Jagger und Charlie Watts durch die Olympic Studios schlurfen.
Der Rolling Stone zeigte die Stones im Zuge der Marketingkampagne für das Album auf dem Cover tatsächlich als junge Männer. »Rank und schlank« nannte sie David Gates in seiner Titelstory, die Gesichter waren noch faltenlos, die Zukunft lag noch vor ihnen. Im selben Jahr brachte die Vanity Fair nicht weniger als drei Storys über Entertainer in ihren besten Jahren aufs Cover: Marilyn Monroe, Grace Kelly und Elizabeth Taylor (fünf, wenn man die den beiden Verstorbenen Michael Jackson und Farrah Fawcett gewidmeten Sonderausgaben hinzuzählt).
Das Exile on Main Street -Cover mit den Aufnahmen von Robert Frank zierte T-Shirts und andere Merchandise-Artikel, und obschon beileibe nicht jeder ein erklärter Fan der Platte war, war sie im Frühjahr 2010 eine Zeit lang das Thema in der Musikbranche.
»Anders als die Songs des Originalalbums, wurden die Bonus-Tracks glattgebügelt, und an einigen Stellen hört man deutlich heraus, dass Micks Gesang aus dem Jahr 2009 stammt und nicht aus dem Jahr 1972«, moserte das Pitchfork -Magazin. »Wenn der Preis dafür, Exile angemessen zu würdigen, war, Jagger zu gestatten, an der Gesangsspur herumzufeilen, dann war das zweifellos ein sehr guter Deal.« Und Erfolg war der Neuedition auch beschieden, denn nicht nur Stones-Fans, sondern auch junge Leute, die sich für Rocklegenden interessierten, kauften das Album. In den USA stieg es auf Platz zwei in den Charts ein, in England ging es gleich auf Platz eins, und zum ersten Mal seit langer Zeit konnten wir uns wieder über sie wundern. Was, fragen wir uns, werden die Stones tun, wenn sie 2012 ihr goldenes Bühnenjubiläum feiern? Und wer zum Teufel ist dieser Mick Jagger eigentlich, und was hat er als Nächstes vor?
EPILOG
AM STOCK AUF DIE BÜHNE GEHEN
Der Bent -Regisseur Sean Mathias hat einmal gesagt, dass sich Mick Jagger so unauslöschlich in die DNA der Pop-Kultur eingeschrieben habe, dass es für ihn eigentlich gar nicht mehr erforderlich sei, auf Tour zu gehen oder neue Songs aufzunehmen. Man kann heutzutage kaum noch ein Modemagazin aufschlagen, ohne dem typischen Jagger-Gesicht zu begegnen, das einem mit den Augen seiner jüngsten Tochter Georgia May entgegenblickt. Elizabeth, die gemeinsame Tochter von Mick und Jerry Hall, hat sich im Frühjahr 2011 für den Playboy ablichten lassen. Und sein Sohn James spielt in der Band Turbogeist. Die Tatsache, dass Mick Kinder hat, die mittlerweile lange erwachsen und so alt sind (Karis, seine Tochter aus der Affäre mit Marsha Hunt, und Jade, seine Tochter aus der Ehe mit Bianca Jagger, sind heute Anfang vierzig), dass man sich fragt, wie lange ihr Vater wohl noch mit den Stones auf der Bühne zu stehen gedenkt, lässt uns noch einmal auf das Thema Alter zurückkommen – und zwangsläufig auch auf das Thema Vergänglichkeit.
Wenn man in den letzten fünfzig Jahren von Dutzenden, wenn nicht gar Hunderten von Journalisten nach seiner Meinung zu diesen Themen befragt wurde, ist es kaum verwunderlich, dass sich diese Meinung im Laufe der Zeit auch änderte. In einem vom People -Magazin geführten Interview sagte Mick 1975: »Ursprünglich wollte ich es nur zwei Jahre lang machen. Ich dachte, die Band würde sich eines Tages auflösen, und das wär’s dann gewesen. Ich werde wahrscheinlich weiter schreiben und singen, aber ich wäre lieber tot, als mit fünfundvierzig noch ›Satisfaction‹ zu singen.« Zwei Jahre zuvor hatte er dem Talkshow-Moderator Dick Cavett erklärt, er könne sich leicht vorstellen, das Ganze auch noch mit sechzig zu machen. »Am Stock auf die Bühne gehen«, Marlene Dietrich rezitieren, Kabarett-Shows für
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