Microsoft Word - Christian Jacq - RAMSES3 - Die Schlacht von Kadesch.rtf
handeln. Übergib mir den Befehl über den Rest der Bündnistruppen, dann überfalle ich Ägypten.»
«Lächerlich», befand Hattuschili. «Unsere erste Sorge muß die Wahrung der Bündnisse sein. Unsere Verbündeten haben viele Männer eingebüßt, der Thron etlicher Fürsten droht zu schwanken, wenn wir sie nicht mit Geldmitteln unterstützen.»
«So redet nur ein Besiegter!» brauste Uriteschup auf. «Hattuschili will Zeit gewinnen, um über seine Feigheit und Unfähigkeit hinwegzutäuschen.»
«Mäßige deine Zunge», forderte Muwatalli. «Beleidigungen führen zu nichts.»
«Schluß mit dem Zögern, Vater! Ich fordere alle Vollmachten.»
«Ich bin der Herrscher, Uriteschup, und du hast mir nicht vorzuschreiben, wie ich mich zu verhalten habe.»
«Dann behalte deinen schlechten Ratgeber, wenn du es so willst. Ich kehre in meine Gemächer zurück, bis du mir befiehlst, unsere Truppen zum Sieg zu führen.»
Hastigen Schrittes verließ Uriteschup den Audienzsaal.
«Er hat nicht ganz unrecht», räumte Hattuschili ein.
«Was willst du damit sagen?»
«Puducheba hat bei den Gottheiten der Hölle Rat geholt.»
«Ihre Antwort?»
«Wir müssen die Niederlage bei Kadesch wiedergutmachen.»
«Hast du einen Plan?»
«Er birgt Gefahren, die ich auf mich nehmen werde.»
«Du bist mein Bruder, Hattuschili, und dein Leben ist mir kostbar.»
«Ich glaube nicht, in Kadesch einen Fehler begangen zu haben, und dem Ansehen unseres Reiches gilt auch mein ganzes Bemühen. Ich werde tun, was die Höllengötter verlangen.»
Nedjem, der ehemalige Gärtner und jetzige Oberste Verwalter der Felder und Haine von Ramses dem Großen, war auch der Lehrmeister des Prinzen Kha, dessen Begabung fürs Schreiben und Lesen ihn begeisterte, weswegen er ihn auch nach Herzenslust lernen und forschen ließ.
Nedjem und der Sohn des Königs verstanden sich wunderbar, und Ramses war glücklich über diese Art von Erziehung. Doch zum erstenmal fühlte der friedfertige Nedjem sich verpflichtet, sich einem Befehl von Ramses zu widersetzen, obwohl er wußte, daß dieser Ungehorsam seine Absetzung nach sich ziehen würde.
«Majestät…»
«Ich höre, mein guter Nedjem.»
«Es handelt sich um deinen Sohn.»
«Ist er bereit?»
«Ja, aber…»
«Sollte er krank sein?»
«Nein, Majestät, aber…»
«Dann soll er sofort kommen.»
«Bei aller Hochachtung, Majestät, ich bin nicht überzeugt, daß ein noch so junger Knabe in der Lage ist, einer solchen Gefahr, der du ihn aussetzen willst, zu trotzen.»
«Überlaß diese Beurteilung mir, Nedjem.»
«Die Gefahr… Die Gefahr ist beträchtlich!»
«Kha muß seinem Schicksal begegnen, wie immer es aussieht. Er ist kein Kind wie die anderen.»
Nedjem begriff, daß sein Kampf sinnlos war.
«Das bedauere ich manchmal, Majestät.»
Ein leichter Wind wehte über dem Delta, aber die regenschweren Wolken vermochte er nicht zu vertreiben. Kha, der hinter seinem Vater auf dem prachtvollen Grauschimmel saß, fröstelte.
«Ich friere, Vater. Können wir nicht langsamer reiten?»
«Wir haben es eilig.»
«Wohin führst du mich?»
«Du sollst den Tod sehen.»
«Die schöne Göttin des Westens mit dem sanften Lächeln?»
«Nein, sie ist der Tod der Gerechtfertigten. Und das bist du noch nicht.»
«Das will ich aber werden!»
«Dann mußt du diese erste Hürde nehmen.»
Kha biß die Zähne zusammen. Niemals würde er seinen Vater enttäuschen.
Ramses machte in der Nähe eines Kanals halt, an dessen Einmündung in einen Arm des Nils ein kleines Heiligtum aus Granit stand. Alles schien ruhig hier.
«Wohnt der Tod hier?»
«Im Inneren dieses Gebäudes. Wenn du dich fürchtest, geh nicht hinein.»
Kha sprang vom Pferd und wiederholte für sich nochmals die magischen Formeln zur Abwehr von Gefahren, die in allen Geschichten vorkamen und die er auswendig gelernt hatte. Er wandte sich nach seinem Vater um, doch Ramses verharrte unbeweglich. Kha begriff, daß er vom Pharao keine Hilfe zu erwarten hatte. Es blieb ihm keine andere Wahl, als auf das Heiligtum zuzugehen.
Eine Wolke verbarg die Sonne, der Himmel verdüsterte sich. Zögernd ging das Kind voran und blieb auf halbem Weg wie gebannt stehen. Eine tintenschwarze Kobra mit breitem Kopf und mehr als eine Schrittweite lang versperrte ihm den Weg und sah aus, als wollte sie ihn angreifen.
Das Kind stand wie versteinert da, wagte nicht zu fliehen.
Die Kobra war mutiger, sie kroch auf ihn zu.
Bald würde das Reptil zuschlagen. Die alten
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