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Microsoft Word - Daniel Kehlmann Die Vermessung der Welt

Microsoft Word - Daniel Kehlmann Die Vermessung der Welt

Titel: Microsoft Word - Daniel Kehlmann Die Vermessung der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dfg
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anderes Schiff. Er hätte nichts dagegen, sagte Humboldt. Aber er habe nun einmal diesen Paß, und die katholischen Majestäten erwarteten, daß er sich beeile. Humboldt hielt sich an sein Versprechen und mischte sich nicht in die Navigation. Wäre nicht ein Affe ausgebrochen, der ganz allein den halben Proviant verzehrte, zwei Taranteln befreite und in der Kapitänskajüte alles in Fetzen riß, wäre die Reise ohne Störungen vorbeigegangen. Er verbrachte die Fahrt auf dem Hinterdeck, schlief mehr als sonst und setzte Briefe an Goethe, seinen Bruder und Präsident Thomas Jefferson auf. Während in Philadelphia die Kisten abgeladen wurden, verabschiede ten er und der Kapitän sich von neuem. Er hoffe sehr auf ein Wiedersehen, sagte Humboldt steif. Gewiß nicht mehr als er, antwortete der Kapitän, dessen Uniform notdürftig geflickt worden war. Beide salutierten. Eine Kutsche wartete, um sie in die Hauptstadt zu bringen. Ein Bote übergab eine formelle Einladung: Der Präsident ersuche um die Ehre, sie im neu gebauten Regierungssitz beherbergen zu dürfen; er sei begierig, alles und mehr über Herrn von Humboldts bereits legendäre Reise zu erfahren. Erhebend, sagte Duprés. Ein zu kleines Wort, sagte Wilson. Humboldt und Jefferson! Und er dürfe dabeisein! Wieso Herrn von Humboldts Reise, fragte Bonpland. Wieso eigentlich niemals die Humboldt-Bonplandsche Reise? Oder die Bonpland-Humboldt-Reise? Die Bonpland-Expedition? Ob ihm das einmal jemand erklären könne? Ein Hinterwäldlerpräsident, sagte Humboldt. Wen interessiere schon, was der denke! Die Stadt Washington befand sich im Aufbau. Überall waren Baugerüste, Gruben und Ziegelhaufen, überall hörte man Sägen und Hammerschläge. Der Regierungssitz, gerade fertiggestellt und noch nicht zu Ende gestrichen, war ein klassizistischer Kuppelbau, umgeben von Säulen. Er freue sich, sagte Humboldt, als sie aus der Kutsche stiegen, einmal wieder ein Zeugnis für den Einfluß des großen Winckelmann zu sehen! Ein Spalier ungeschickt salutierender Soldaten hatte Aufstellung genommen, ein Trompetensignal wehte durch den Himmel, eine Fahne blähte sich im Wind. Humboldt hielt sich sehr gerade und hob den Handrücken an den Rand seiner Kappe. Vom Gebäude her näherten sich Männer in dunklen Gehröcken; voran der Präsident, hinter ihm der Außenminister Madison. Humboldt sagte etwas von der Ehre hierzusein, seinem Respekt vor der liberalen Idee, von der Freude, die Sphäre einer drückenden Despotie verlassen zu haben. Ob er schon gegessen habe, fragte der Präsident und schlug ihm auf die Schulter. Sie müssen doch etwas essen, Baron! Das Galadiner war miserabel, doch die Würdenträger der Republik hatten sich alle versammelt. Humboldt sprach von der Eiseskälte der Kordilleren und den Mükkenschwärmen am Orinoko. Er erzählte gut, bloß verlor er sich immer wieder in Fakten: Er berichtete so detailliert über Ströme und Druckschwankungen, über das Verhältnis von Höhenlage und Vegetationsdichte, über die feinen Unterschiede der Insektenarten, daß mehrere Damen zu gähnen begannen. 
    Als er sein Notizbuch hervorholte und anfing, Meßergebnisse vorzutragen, versetzte Bonpland ihm unter dem Tisch einen Tritt. Humboldt trank einen Schluck Wein und kam auf die Last des Despotismus und die Ausbeutung der Bodenschätze zu reden, welche einen sterilen Reichtum erzeuge, von dem die Volkswirtschaft niemals profitieren könne. Er sprach über den Alpdruck der Sklaverei. Wieder spürte er einen Tritt. Er sah Bonpland böse an, dann erst begriff er, daß es der Außenminister gewesen war. Jefferson habe Ländereien, flüsterte Madison. Und? Mit allem, was dazugehöre. Humboldt wechselte das Thema. Er erzählte vom schmutzigen Hafen Havannas, vom Hochland von Caxamarca, von Atahualpas versunkenem Goldgarten, von den Tausende Meilen langen Steinwegen, mit denen das Inkavolk die unzähligen Anhöhen verbunden hatte. Er hatte schon mehr getrunken, als er es gewöhnt war, sein Gesicht rötete sich, seine Bewegungen wurden ausladender. Immer schon sei er unterwegs gewesen, seit seinem achten Lebensjahr. Nie habe er mehr als sechs Monate an einem Ort verbracht. Er kenne alle Kontinente und habe die Fabelwesen gesehen, von denen die orientalischen Märchenerzähler berichteten: fliegende Hunde, mehrköpfige Schlangen und äußerst polyglotte Papageien. Leise vor sich hin lachend, ging er schlafen. Am nächsten Tag hatte er, trotz seiner Kopfschmerzen, eine lange Unterredung im

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