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Microsoft Word - Daniel Kehlmann Die Vermessung der Welt

Microsoft Word - Daniel Kehlmann Die Vermessung der Welt

Titel: Microsoft Word - Daniel Kehlmann Die Vermessung der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dfg
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Hauptplatz ginge, er würde keine fünf Minuten leben. Der Conde überlegte. Vielleicht, sagte er dann, würde auch gar nichts passieren. Alles sei lange her, die Menschen erinnerten sich kaum noch. Er faßte den Ellenbogen seiner Frau und blickte mit schmalen Augen an Humboldt hinauf. Wer immer ihn treffe, forsche in seinem Gesicht nach einem Abglanz der Züge des Gottkönigs. Jeder, der seinen Namen erfahre, blicke durch ihn hindurch in die Vergangenheit. Ob Humboldt sich vorstellen könne, wie es sei, das Leben als Schatten eines großen Verwandten zu fuhren? Manchmal könne er das, antwortete Humboldt. Familienüberlieferung, wiederholte der Conde abfäl- lig. Er und seine Frau gingen ohne Gruß. Früh am Morgen bemerkte Humboldt, daß Bonpland nicht da war. Sofort machte er sich auf die Suche. Die Straßen waren voller Händler: Ein Mann verkaufte getrocknete Früchte, ein zweiter Wundermittel gegen alle Krankheiten außer der Gicht, ein dritter schlug sich mit einem Beil die linke Hand ab, welche er dann herumgeben und von der Menge untersuchen ließ, während er unter Schmerzen wartete, bis er sie zurückbekam. Er preßte sie an den Stumpf und beträufelte sie mit Tinktur. Bleich vom Blutverlust hieb er dann ein paarmal auf den Tisch, um zu zeigen, daß sie angewachsen war. 
    Die Umstehenden klatschten und kauften ihm alle Tinkturvorräte ab. Ein vierter hatte Wundermittel gegen Gicht, ein fünfter billig gedruckte illustrierte Broschüren. In einer davon wurde die Geschichte eines wundertätigen Priesters erzählt, in einer anderen das Leben des Indiojungen, dem die Madonna von Guadaloupe erschienen war, in einer dritten die Abenteuer eines deutschen Barons, der ein Boot durch die Hölle des Orinoko gesteuert und den höchsten Berg der Welt bestiegen hatte. Die Bilder waren gar nicht übel, besonders Humboldts Uniform war gut getroffen. Er fand Bonpland, wo er ihn vermutet hatte. Das Haus war aufwendig geschmückt, die Fassade bedeckt mit chinesischen Kacheln. Ein Pförtner bat ihn zu warten. Minuten später tauchte Bonpland in hastig übergestreifter Kleidung auf. Humboldt fragte, wie oft er ihn noch an ihre Abmachung erinnern solle. Das sei ein Hotel wie jedes andere, antwortete Bonpland, und die Abmachung sei eine Zumutung. Er habe ihr nie zugestimmt. So oder so, sagte Humboldt, es sei jedenfalls eine Abmachung. Bonpland forderte ihn auf, sich die Predigten zu sparen. Am nächsten Tag erstiegen sie den Popocatepetl. Ein Pfad führte fast bis zum Gipfel: Gomez und Wilson, der Bürgermeister der Hauptstadt, drei Zeichner und fast hundert Schaulustige folgten ihnen. Wann immer Bonpland eine Pflanze abschnitt, mußte er sie herumzeigen. Meist kam sie so abgegriffen zurück, daß er sie nicht mehr in die Botanisiertrommel zu legen brauchte. Als Humboldt vor einem Erdloch seine Atemmaske anschnallte, brandete Applaus auf. Und während er mit dem Barometer die Höhe des Gipfels bestimmte und sein Thermometer in den Krater hinabließ, verkauften Händler Erfrischungen. Beim Abstieg sprach sie ein Franzose an. Er heiße Duprés und schreibe für mehrere Pariser Zeitschriften. Eigentlich sei er wegen der von Baudin geleiteten Expedition der Akademie angereist. Aber nun sei Baudin nicht aufgetaucht, und er habe kaum sein Glück fassen können, als er erfahren habe, daß ein viel Größerer im Land sei. Für einen Moment gelang es Humboldt nicht, ein selbstgefälliges Lächeln zu unterdrücken. Er hoffe immer noch, sich Baudin anzuschließen und mit ihm zu den Philippinen zu fahren. Er trage sich mit dem Gedanken, den Kapitän in Acapulco abzufangen, damit man sich gemeinsam der Untersuchung der seligen Inseln widmen könne. Gemeinsam, wiederholte Duprés. Der seligen Untersuchung der Inseln. Der Untersuchung der seligen Inseln! Duprés strich es durch, schrieb es neu und bedankte sich. Dann besuchten sie die Ruinen von Teotihuacan. Sie schienen zu groß für menschliche Erbauer. Auf einer geraden Chaussee gelangten sie zu einem von Tempeln umstandenen Platz. Humboldt setzte sich auf den Boden und rechnete, die Menge beobachtete ihn aus der Entfernung. Bald wurde es den ersten langweilig, manche begannen zu schimpfen, nach einer Stunde waren die meisten und nach neunzig Minuten die allerletzten gegangen. Nur die drei Journalisten blieben. Bonpland kam verschwitzt von der Spitze der größten Pyramide zurück. So hoch habe er es sich nicht vorgestellt! Humboldt, den Sextanten in Händen, nickte. Vier Stunden später,

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