Midkemia Saga 04 - Dunkel über Sethanon
erfüllte sie zur vollsten Zufriedenheit; viel schwieriger war es, ihn überhaupt an die Arbeit zu bekommen. Nachdem er die Pflichten für den Morgen verteilt hatte, befahl deLacy: »Fünfzehn Minuten, bevor die zweite Stunde des Nachmittags beginnt, versammelt Ihr Euch alle auf der Treppe vor dem Palast. Denn zur zweiten Stunde des Nachmittags wird der Prinz mit seinem Gefolge zur Präsentation ankommen. Sobald die Zeremonie beendet ist, seid Ihr für den Rest des Tages von der Arbeit befreit. Diejenigen, deren Familien hier leben, können diese also besuchen. Zwei von Euch werden allerdings noch gebraucht, damit sie der Familie des Prinzen und den Gästen zu Diensten sein können. Für diese Aufgabe habe ich die Junker Locklear und James ausgewählt. Ihr beide werdet Euch sofort bei Graf Volney melden und Euch zu seiner Verfügung halten. Das ist alles.«
Jimmy stand wie erstarrt da, und eine ganze Weile brachte er vor Ärger keinen Ton heraus. deLacy ging hinaus, und die anderen Junker verließen den Saal. Locklear schlenderte hinüber zu Jimmy und meinte schulterzuckend: »Nun ja, wir haben nicht gerade das Glück gepachtet, was? Die anderen werden alle losziehen und irgendwo etwas essen und trinken und« - er warf Jimmy einen Seitenblick zu und grinste - »Mädchen küssen. Und wir müssen hier bei Ihrer Hoheit bleiben.«
»Ich bring ihn um«, sagte Jimmy voller Wut.
Locklear schüttelte den Kopf. »Jerome?«
»Wen sonst?« Jimmy setzte sich in Bewegung und winkte seinem Freund, er solle ihm folgen. »Er hat deLacy die Sache mit dem Wetten erzählt. Damit wollte er sich bestimmt für das blaue Auge bedanken, das ich ihm gestern verpaßt habe.«
Locklear seufzte niedergeschlagen. »Wir haben keine Chance gegen Thom und Jason und die anderen Lehrjungen, wenn wir beide heute nachmittag nicht spielen können.« Locklear und Jimmy waren die beiden besten Spieler in der Mannschaft der Junker. Locklear war fast genauso flink wie Jimmy, und er war ihm nur im Fechten unterlegen. Was jedoch das Ballspielen anging, waren die beiden zusammen unschlagbar, und wenn sie nicht mitspielen konnten, war eins klar: Die Lehrjungen würden gewinnen. »Wieviel hast du eingesetzt?«
»Alles«, erwiderte Jimmy. Locklear zuckte zusammen. Seit Monaten hatten die Junker ihr ganzes Gold und Silber für dieses eine Spiel gespart. »Nun, wie hätte ich ahnen können, daß uns deLacy diese Sache aufhalst? Außerdem hätten wir unseren Einsatz fünf zu zwei wieder herausbekommen; nicht schlecht, bei den ganzen Verlusten in letzter Zeit.« Monatelang hatten die Junker absichtlich verloren, damit sie bei diesem Spiel alles zu einer hohen Quote setzen konnten. »Vielleicht sind wir doch nicht völlig aus dem Rennen«, dachte er laut. »Ich werde mir schon noch etwas einfallen lassen.«
Locklear wechselte das Thema. »Heute warst du ja mal wieder besonders spät dran. Was ist dir denn diesmal dazwischengekommen?«
Jimmy grinste, und der verärgerte Zug um seinen Mund verschwand. »Ich hab' mich mit Marianna unterhalten.« Dann verzog sich sein Gesicht wieder zu einer düsteren Miene. »Sie wollte sich heute nach dem Spiel mit mir treffen, aber jetzt werden wir beide beim Prinz und bei der Prinzessin bleiben müssen.« Seit dem letzten Sommer war Jimmy nicht nur ein ganzes Stück gewachsen, er hatte plötzlich auch sein Interesse für Mädchen entdeckt. Mit einem Mal suchte er ihre Gegenwart und wollte unbedingt von ihnen gemocht werden. Was seine Erfahrung und sein Wissen in diesen Dingen betraf, war er den anderen Junkern Jahre voraus. Der frühere Dieb hatte sich bereits seit einigen Monaten immer wieder an die Dienstmädchen herangemacht. Marianna war der jüngste Schwärm, den der schlaue, witzige und gutgebaute junge Junker erobern wollte. Und weil er so lockiges braunes Haar, ein so gewinnendes Lächeln und so funkelnde dunkle Augen hatte, sahen die Eltern der Dienstmädchen im Palast in ihm eine ständige Gefahr für die Unschuld ihrer Töchter. Locklear gab wie gewöhnlich vor, ihn würde das alles nicht interessieren. Allerdings war dieses Gehabe nicht mehr so glaubhaft wie früher, seit er nämlich selbst immer öfter im Mittelpunkt des Interesses der Mädchen stand. Fast jede Woche schien er ein wenig zu wachsen, und jetzt war er schon beinahe so groß wie Jimmy. Daß er bei den jüngeren Mädchen im Palast beliebt war, wunderte niemanden: Er hatte wogendes, mit blonden Strähnen durchsetztes Haar, seine Augen strahlten in einem
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