Midkemia Saga 06 - Des Königs Freibeuter
Borric und Erland, waren vor fünf Jahren an den Hof des König in Rillanon geschickt worden, um auf jenen Tag vorbereitet zu werden, am dem Borric von seinem Onkel die Krone der Inseln erben würde. König Lyams einziger Sohn war vor fünfzehn Jahren ertrunken, und Arutha und der König hatten entschieden, daß Arutha, sollte er seinen älteren Bruder überleben, zu Gunsten von Borric auf den Thron verzichten würde. Elena, die Schwester von Nicholas, war seit kurzem mit dem ältesten Sohn des Herzogs von Ran verheiratet, und danach hatte es im Palast für den jungen Prinzen keine Gefährten von passendem Rang mehr gegeben – bis Harry eingetroffen war.
Nicholas räusperte sich laut und zog so Harrys Aufmerksamkeit gerade lange genug auf sich, damit das Dienstmädchen entfliehen konnte. Es verbeugte sich höflich vor dem Prinzen und lächelte ihn dankbar an, während es davoneilte.
Nicholas sah dem Dienstmädchen hinterher und meinte: »Harry, du solltest deine Stellung nicht ausnützen, um die armen Mädchen zu belästigen.«
»Ich habe sie doch nicht belästigt –« setzte Harry an.
»Ich wollte das nicht mit dir erörtern«, erwiderte Nicholas unnachgiebig.
Er gab Harry selten Befehle, doch bei jenen wenigen Gelegenheiten, bei denen er es tat, war Harry schlau genug, um keinen Widerspruch zu leisten – vor allem nicht, wenn Nicholas Stimme so klang wie die von Prinz Arutha, denn dann scherzte er bestimmt nicht. Der Junker zuckte mit den Schultern. »Nun, wir haben noch eine Stunde bis zum Essen. Was sollen wir machen?«
»Wir werden ein bißchen an unserer Geschichte arbeiten, denke ich.«
Harry fragte: »An welcher Geschichte?«
»An der Geschichte, mit der wir Papa erklären, wieso mein Boot jetzt in Einzelteilen im Hafen treibt.«
Harry lächelte verschmitzt. »Ich werde mir schon etwas einfallen lassen.«
»Ihr habt es nicht gesehen?« fragte der Prinz von Krondor, während er seinen jüngsten Sohn und den Junker aus Ludland betrachtete. »Wie konntet Ihr bloß das größte Kriegsschiff der Flotte von Krondor übersehen, wenn es kaum noch dreißig Meter entfernt war!« Arutha, Prinz von Krondor, Bruder des Königs der Inseln und zweitmächtigster Mann im Königreich, bedachte die Jungen mit jenem mißbilligenden Blick, den sie nur zu gut kannten. Arutha war ein hagerer Mann, ein ruhiger doch starker Herrscher, der seine Gefühle selten offen zeigte. Für die Menschen in seiner Nähe, für Freunde und Familie, waren die unterschwelligsten Wandlungen seiner Stimmung allerdings leicht zu erkennen. Und in diesem Moment war er sicherlich nicht gerade amüsiert.
Nicholas wandte sich an seinen Spießgesellen. Trocken flüsterte er: »Gute Geschichte, Harry Hast offensichtlich lange drüber nachgedacht.«
Arutha sah zu seiner Frau hinüber, und seine Mißbilligung machte Niedergeschlagenheit Platz. Prinzessin Anita bedachte ihren Sohn mit einem bösen Blick, der durch Belustigung gemildert wurde. Sie regte sich immer auf, wenn die Jungen Unfug trieben, doch die aufdringlich arglose Unschuldspose, die sie nun zur Schau trugen, war einfach zu gut. Obwohl sie die Vierzig schon hinter sich hatte, schwang in ihrem Leben stets noch etwas Mädchenhaftes mit. In ihrem roten Haar fanden sich schon graue Strähnen, und ihr sommersprossiges Gesicht spiegelte die Jahre wider, die sie ihrem Volk gedient hatte, doch ihre Augen waren noch klar und glänzend.
Das Abendessen war nichts Besonderes, es waren nur wenige Beamte des Hofes anwesend. Arutha zog es vor, das Leben am Hofe so zwanglos wie möglich zu gestalten, und ertrug Pomp nur, wenn es unumgänglich war. Er saß am Kopf der Tafel und Anita zu seiner Rechten. Geoffrey, der Herzog von Krondor und Aruthas Hauptverwalter, saß wie gewohnt zur Linken des Prinzen. Geoffrey war ein ruhiger, freundlicher Mann, der von den Bediensteten des Palastes gut gelitten und noch dazu ein fähiger Verwalter war. Er hatte zehn Jahre am Hof des Königs gedient, ehe er vor acht Jahren seine Stellung in Krondor angetreten hatte.
Neben ihm saß Prälat Graham, ein Bischof vom Orden der Dala – dem Schild der Schwachen –, einer von Aruthas gegenwärtigen Beratern. Da er ein freundlicher, doch strenger Lehrer war, garantierte der Prälat, daß Nicholas, wie seinen Brüdern vor ihm, eine weitgefächerte Bildung zukam, in der Kunst und Literatur, Musik und Theater eine ebenso wichtige Rolle spielten wie Wirtschaft, Geschichte und Kriegsführung. Er saß neben Nicholas und
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