Millionenkochen: Ein Mira-Valensky-Krimi
wird nur durch das Saalmikrofon übertragen.
„Kommen Sie her“, sagt Klaus Liebig um ein Vielfaches lauter.
Vielleicht war es dieser Auftritt, den er in der Kulisse geübt hat, nicht das Kochen. Der Produzent kommt ganz nahe. „Sie lassen Frau Sanders jetzt gehen“, hallt es langsam und leise.
Es ist meine Schuld. Ich habe ihn wieder in die Show gebracht. Ich habe sein Spiel gespielt und ihn zu einer Art Star gemacht. Ich renne los, zurück ins Studio, öffne die Tür lautlos. Sehe gerade noch, wie Klaus Liebig rasch das Messer vom Opernstar nimmt und Valentin Freytag an die Kahle setzt. Er war etwas zu stürmisch. Blut am Hals des Produzenten. Es scheint nur ein Kratzer zu sein, Lena Sanders duckt sich hinter die Arbeitsfläche, dann sehe ich, wie sie aus der Kulisse kriecht, auf allen Vieren, immer weiter aus dem Scheinwerferlicht.
Wo ist Vesna? Sie ist nicht mehr auf ihrem Platz. Ich starre nach vorne. Sie steht jetzt neben der seitlichen Kamera. Kamera 3. Wenn sie nicht aufpasst, wird Klaus Liebig sie sehen. Sie hat etwas vor. Was kann sie tun? Ich bin es, die etwas unternehmen muss.
„Ich glaube, ich liebe dich“, hat Klaus Liebig gesagt, er tue alles nur für mich. Was, wenn es wahr ist? Inzwischen hat Klaus Liebig begonnen eine Ansprache zu halten. Er muss sie immer wieder geübt haben, ich bin mir sicher.
„Niemand darf sich seine Träume zerstören lassen“, sagt er, „man muss daran glauben und man muss die bestrafen, die alles zerstören wollen. Der da ist ein Zerstörer. Ich habe es von Anfang an gewusst, sie tun nur so, als wollten sie einen gewinnen lassen, sie wollen selbst gewinnen, immer nur selbst. Und man kann noch so gut sein, ich kann einiges erzählen und alles beweisen. Sie glauben, man ist nur eine Requisite in ihrem Spiel, aber ich bin keine Requisite, jeder Mensch muss sein eigenes Spiel spielen, das hat mir ein berühmter Koch gelernt. Andy Warhol hat gesagt, jeder wird ein Star für 15 Minuten sein, aber ein wirklicher Star, der bleibt immer in Erinnerung. Ich bin einer davon, ich sage nicht mehr, was die anderen wollen, ich habe mich von der Rolle befreit, die sie mir gegeben haben, ich bin darüber hinausgewachsen, ein Befreier …“
Jetzt stehe ich neben Vesna. Er wird nicht aufgeben. Ich sehe sein Gesicht. Wenn ihm nur eine Kleinigkeit nicht passt, ist der Produzent tot. Vesna steht wie auf dem Sprung. Ich kann nicht anders, ich bin die Einzige, die das verhindern kann, vielleicht. Wenn wenigstens etwas von dem stimmt, was er gesagt hat. Ich gehe noch einen Schritt nach vorne. Ich konzentriere mich voll auf ihn. „Klaus“, sage ich so laut wie möglich, bittend. Er scheint mich gar nicht gehört zu haben, ich …
In der nächsten Sekunde ein gellender Schrei. Vesna ist vor mir, schreit: „Sendeausfall! Stopp! Noch einmal die Szene! Wiederholung! Action!“
Klaus starrt sie irritiert an, jemand reagiert, alle Lichter gehen aus, gleichzeitig hechtet Vesna über die Kochfläche stößt mit ihrem Körpergewicht den Produzenten zu Boden, jetzt rennen auch ein paar andere in die Kulisse, ich stehe noch immer da, Klaus Liebig brüllt wie ein verwundetes Tier, er kann sich losreißen. Ich kreische ins Halbdunkel: „Deine Mutter ist da!“
Er stutzt, zwei Kameramänner haben ihn im Griff.
„Ich werde euch töten“, das Mikrofon funktioniert immer noch, seine Stimme gellt durch die Halle. Ich sehe zum ersten Mal zum Publikum. Es sitzt gebannt wie bei einem Actionfilm. Keiner ist gegangen, geflohen. Man sieht zu. Atmenlos. Ich weiß nicht, wie es Klaus Liebig gelungen ist – die beiden Kameramänner sind um einiges kräftiger als er -, aber er hat aus der Latztasche der Kochschürze ein kleines Messer gezogen und hält es sich selbst an den Hals. Die beiden Männer weichen zurück.
„Licht“, befiehlt er.
Das Licht geht an. Ich gehe auf ihn zu, jemand will mich zurückhalten, ich schüttle die Hand ab, stehe jetzt selbst im Scheinwerferlicht.
„Du bist ein Star“, sage ich und meine Stimme scheint sich in der Halle zu verlieren, „ein Star darf sich nicht töten, er muss leben.“
„Ich werde leben, ich werde unsterblich sein“, tönt es laut durch den Raum. „Wie James Dean, wie …“ Wie will ich dagegen an? Zeit gewinnen, ich muss Zeit gewinnen.
„Ja“, sage ich, „Du hast Susanne Kraus getötet, weil sie dich nicht ernst genommen hat.“
„Nicht ernst genommen?“, schreit er. „Sie hat mich nicht gekannt. Sie hat sich lustig gemacht über
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