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Mindstar 03 - Die Nano-Blume

Mindstar 03 - Die Nano-Blume

Titel: Mindstar 03 - Die Nano-Blume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter F. Hamilton
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noch vage an ihre frühe Kindheit, als die Welt im Chaos versank; es waren Traumsequenzen von Orten und Gesichtern, eine scheinbar endlose Prozession von Tagen, die zu heiß waren und an denen es nie genug zu essen gab. Die Hälfte ihrer wachen Stunden war sie über Londons breite, fahrradverstopfte Straßen gewandert und hatte auf Märkten und von Verkaufsständen an der Straße Lebensmittel organisiert. Sie wohnte damals bei Tante Mavis, einer Frau in den späten Vierzigern mit rundem, gehetztem Gesicht, die immer Kleider mit Blumenaufdruck und rosa Pantoffeln trug. Tante Mavis hatte nie einen Job gehabt; sie, ein Opfer gezielter, lebenslanger Arbeitslosigkeit, nahm Charlotte nur auf wegen der zusätzlichen Lebensmittelzuteilung. Charlotte bekam davon jedoch nichts zu sehen; ihre Lebensmittelkarten wurden bei Schwarzhändlern gegen schwarzgebrannten Gin eingetauscht, den Tante Mavis trank, während sie hinter ständig zugezogenen Vorhängen vor dem großen Flachbildschirm an der Wohnzimmerwand saß.
    Tante Mavis hatte die Realität gegen die Seifenopern von Globecast eingetauscht, in denen formatierte Handlungsstränge ein hartes Leben stets mit dem Glitzerschmuck des Materialismus, mit goldenen Sonnenuntergängen, Liebe und Zuwendung belohnten. Die Kanäle boten Tante Mavis den Schimmer der Erlösung von der Erwärmung und der SVP, von einer bis zur Unkenntlichkeit verdrehten Welt, wurden zu einer elektronischen Ersatzreligion, die sie unaufhörlich praktizierte.
    Eines Abends, als Charlotte sieben war, kam sie nach Hause zurück und entdeckte die Tante dabei, wie sie sich an den Flachbildschirm drückte, unter Tränen daranhämmerte und die schön lächelnden Charaktere anflehte, sie dort aufzunehmen. Nicht viel später kam Charlotte ins Waisenhaus. Der Hunger endete dort, wurde ersetzt durch Arbeit in der Küche, Gemüseschälen, Geschirrspülen.
    Dort begann ihr Leben im Grunde erst, mit der Normalität der Schule und anderer Kinder. Die einzige Verbindung zur Vergangenheit war eine ständige, feste Entschlossenheit, nie wieder zu hungern. Dann, als sie fünfzehn war, trat Dimitri Baronski in ihr Leben und unterbreitete ihr sein Angebot, öffnete die Tür in ein halbmagisches Reich, wo niemandem jemals etwas fehlte.
    Der Aston Martin erreichte die Ringstraße von Monaco, wo die fugenlose, durchsichtige Kuppelschale aus dem Betondeich aufragte und sich allmählich nach oben wölbte, massiv genug, um den Himmel aufrechtzuhalten. Charlotte sah ein paar Molen an der Außenseite, wo schnittige weiße Yachten sanft an ihren Liegeplätzen schaukelten. Große runde Lagunen aus genetisch manipulierten Korallen und mit Gezeitenturbinen breiteten sich auf dem stillen Meer aus, bis hinaus zum dunkler werdenden Horizont. Monaco lehnte es weiterhin ab, sich ans elektrische Versorgungsnetz Frankreichs anzuschließen, und blieb entschlossen unabhängig.
    Auf der anderen Straßenseite erhoben sich ehrwürdige Hotels mit schwarzen Glaseingangstüren und langen Balkonen. Charlotte sah zu, wie sie an ihr vorbeizogen, und empfand vage Erheiterung darüber, daß diese Stadt sich schutzsuchend unter einen hypermodernen Bau wie diese Kuppel duckte, eine Stadt, die ein Ambiente aus schon lange untergegangener imperialistischer Eleganz mit so peinlicher Sorgfalt in ihrem ganzen Stoff und in ihrer Kultur nachgebildet hatte. Das Bühnenbild, durch das Charlotte fuhr, hatte einen Fehler, fand sie, nämlich daß man hier nie nach etwas Neuem strebte. Das Talent und die Ressourcen, die hier aufmarschiert waren, hätten genausogut dafür aufgewandt werden können, etwas Kühnes und Innovatives zu schaffen. Statt dessen wandte man sich der Vergangenheit zu und tauchte in der Sicherheit seines vornehmen Erbes unter.
    Für Charlotte war die Nachbildung jedoch nicht perfekt. Sie erkannte eine gewisse Frische an den Linien der Gebäude, eine kalte Effizienz in der so entschlossen auf schön getrimmten Szenerie, die die Mentalität ihrer Urheber verriet. Monaco war ein kompaktes Bündel Reichtum, dessen Grenzen eifersüchtig bewacht wurden. Es hatte sich zu einer Enklave entwickelt, einer befestigten Burg für die Reichen, komplett mit Zugbrücke.
    Selbst mit Charlottes superweißem Paß und der im voraus bezahlten Hotelreservierung hatten sich die Einwanderungsbeamten damit Zeit gelassen, ihr die Einreise zu erlauben. Das Recht, sich fest im Fürstentum niederzulassen, war streng limitiert; man mußte von drei Einwohnern vorgeschlagen werden und

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