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Mindstar 03 - Die Nano-Blume

Mindstar 03 - Die Nano-Blume

Titel: Mindstar 03 - Die Nano-Blume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter F. Hamilton
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attraktives ovales Gesicht und helle Haut; das kastanienbraune Haar trug sie lang und glatt, und es reichte ihr bis halb den Rücken hinunter. Das Kleid war smaragdgrün. Es bestand aus einem Stoff, der glatt wie Öl wirkte, und war eher modisch als protzig. Selbst Schmuck hatte sie zurückhaltend angelegt, ein paar kleine, kompliziert gestaltete Stücke. Im Vergleich dazu wirkten die ältlichen, edelsteinbeladenen Witwen in der Schlange geradezu absurd aufgedonnert.
    Es schien fast, als benutzte Julia Evans den eigenen kultivierten Geschmack, um die krasse Extravaganz ringsherum ad absurdum zu führen.
    Charlotte konnte kaum den Blick abwenden. Julia Evans’ Reputation wies eine innewohnende Faszination auf. Sie hatte Event Horizon im Alter von siebzehn Jahren von ihrem gleichermaßen berühmten Großvater Philip Evans geerbt und es mit einer bissigen Tüchtigkeit weitergeführt, mit der kein Konkurrent mithalten konnte. Der Erfolg des Unternehmens beruhte auf dem Patent für den Gigaleiter, ein universelles Energiespeichersystem, das einfach alles antrieb, von Haushaltsgeräten bis zu Raumfähren. Julia hatte die Erträge aus den Lizenzgebühren clever genutzt, um Event Horizon auszubauen, bis es die englische Wirtschaft nach der Erwärmung beherrschte. So viele Legenden und Gerüchte und so viel Klatsch kursierten um diese Frau, daß es schwerfiel, die ganzen Behauptungen und den ganzen Beifall mit der schlanken Gestalt in Verbindung zu bringen, die nur ein paar Meter entfernt stand.
    Während Charlotte sie betrachtete, gelangte sie zu dem Schluß, daß sich Julia wirklich von ihrer Umgebung abhob, und zwar durch eine Art eisiger Disziplin. Ihr schmales höfliches Lächeln schwankte nie, während sie dem Strom aus eifrigen Würdenträgern vorgestellt wurde. Es war eine fast königliche Haltung.
    »Wirkliche Macht übt eine noch fundamentalere Anziehungskraft aus als die Gravitation«, hatte Baronski Charlotte einmal erklärt. »Egal, ob es ein Einfluß zum Guten oder zum schlimmsten Übel ist, er zieht Menschen an und hält sie im Bann.«
    Die Wirkung, die Julia Evans auf andere ausübte, machte Charlotte deutlich, wie sehr das stimmte. Die Gesprächsfetzen, die sie bislang im Ballsaal hatte mithören können, waren allesamt banal, leichte Konversation. Jeder wußte, daß Julia Evans bei gesellschaftlichen Anlässen nicht gern übers Geschäft sprach. Es war schon ein bißchen albern; die ganze Mittelmeerküste diskutierte über das neue Bündnis zwischen Ägypten und der Türkischen Islamischen Republik und machte sich Sorgen, wie sich das auf den regionalen Handel auswirken würde und ob damit zu rechnen war, daß sich in Nordafrika eine neue Jihad-Legion erhob. Und die Leute hier mußten sich dafür noch am stärksten interessieren; alle würden ein Vermögen machen oder verlieren, je nachdem, welchen Ausgang die Sache nahm. Aber niemand sprach mit einer Silbe davon.
    Charlotte erinnerte sich an ein mitternächtliches Gespräch, das sie vor zwei oder drei Jahren mit einem ihrer Kunden geführt hatte, einem Finanzier der Spitzenklasse. Er hatte ihr gestanden, daß seine Kinder absichtlich so gezeugt worden waren, daß sie im gleichen Alter waren wie Julias zwei Kinder – bewegt von der Hoffnung, daß sie sich als akzeptable Spielgefährten erweisen würden. Dieser in jeder Beziehung so schwer faßbare Schlüssel zum innersten Zirkel. Damals hatte Charlotte verwirrt und ungläubig mit dem Kopf geschüttelt. Jetzt war sie sich nicht mehr so sicher.
    Julia Evans’ goldbraune Augen entdeckten Charlotte quer durch den Ballsaal. Charlotte erschrak und erkannte schuldbewußt, daß sie sie glatt über eine Minute lang angestarrt haben mußte. Sie hatte geglotzt wie ein pubertierender Möchtegern, der unerwartet über ein Idol gestolpert war. Dem Himmel sei Dank, daß Baronski nicht zugegen war und diesen Lapsus miterlebt hatte!
    Rasch sah sich Charlotte die Gesichter im Hintergrund an. Vor der Party hatte sie Julia Evans’ Datenprofil gesichtet, und zwar die von Associated Press erstellte Version, um jemanden zu finden, der ihre nahestand. Sie war die Informationen sorgfältig durchgegangen und hatte drei Namen ausgewählt, die vielleicht einen direkten Draht boten.
    Sie ging um das Ende der Schlange herum und näherte sich einem Knäuel Personen hinter Julia Evans.
    Rachel Griffith plauderte mit einem Mitglied des Newfieldskomitees. Sie war eine Frau mittleren Alters und versuchte, ihre Langeweile nicht zu zeigen.

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