Mindstar 03 - Die Nano-Blume
ein Vermögen von über vier Millionen Eurofrancs vorweisen können, ehe man überhaupt in die engere Wahl kam.
Und so stand Charlotte am Flughafen in einer Schlange aus ungeduldigen, nervösen Menschen, die neidisch zusahen, wie Ortsansässige ohne jedes Aufhebens am eigenen Schalter vorbeihuschten. Charlotte fürchtete, die unnachgiebige Frau am Zollschalter könnte die Blumenbox in ihrer Reisetasche öffnen und Fragen danach stellen. Das ganze Drum und Dran von Zoll und Einreise schien jedoch mehr ein Ritual als sonst etwas zu sein. Die Wartezeit, die Fragen unterstrichen, daß Monaco anders war, nicht irgendein gewöhnlicher Urlaubsort oder ein gewöhnliches Glücksspielparadies.
Während Charlotte in der Schlange stand, sah sie den Mann zum zweiten Mal an diesem Tag. Er wartete in derselben Schlange, zehn Personen weit hinter ihr. Er hatte etwas an sich, was ihn leicht von den anderen abhob, ihn fast unheimlich erscheinen ließ – die Art, wie seine kühlen Augen nie Charlottes Blick erwiderten, wenn sie sich umdrehte, dazu seine phlegmatische Gleichgültigkeit gegenüber dem Anstehen. Zu jedem anderen Zeitpunkt hätte sie ihn als Hardliner eingeschätzt, als aus dem Urlaub zurückkehrenden Leibwächter irgendeines Plutokraten aus Monaco. Sie hatte ihn jedoch schon früher am Tag auf dem Raumhafen Kapstadt gesehen, wo er sich unter die Menge aus Freunden und Verwandten gemischt hatte, die die übrigen Passagiere der Raumfähre begrüßten. Hätte sie ihn dort im Warteraum für den Anschlußflug nach Monaco gesehen, wäre nur natürlich gewesen, daß er jetzt hinter ihr stand. Aber was hatte er in der Menge zu suchen gehabt, die auf die Raumfähre wartete?
Endlich war ihr Paß abgefertigt und waren Einladung und Hotelreservierung von der Einwanderungsbeamtin bestätigt worden, einer matronenhaften Frau in steifer blauer Uniform. Charlotte setzte gehorsam den Daumenabdruck unter die Erklärung im Terminal der Beamtin und bestätigte damit, daß sie die Gesetze des Fürstentums gelesen hatte und sich an sie halten würde. Daraufhin erhielt sie von der ernst dreinschauenden Frau ihr befristetes Visum. Für eine Sekunde begegneten sich ihre Blicke, und Charlotte erkannte in den Augen ihres Gegenübers zum tausendsten Mal diese einzigartige weibliche Form der Verachtung. Sie hatte sich für den Rückflug zur Erde einen scharlachroten Ashmi-Overall angezogen, in Cowboystiefel aus schwarzem Leder gesteckt, das goldene Amstrad-Cybofax in der obersten Tasche, dazu eine Ferranti-Sonnenbrille. Ein legerer Stil, ungefähr so teuer, wie man ihn nur hinbekam; sie hatte den Anblick der modischen Testpilotin genossen, die ihr aus dem Spiegel entgegensah. Dann kam dieses Miststück von der Einwanderungsbehörde her und zerstörte die ganze Stimmung.
Es war eine passende Begrüßung in Monaco, dachte sie sich später; Verachtung und Argwohn folgten ihr auf Schritt und Tritt.
Das El-Harhari-Hotel unterschied sich nicht besonders von den übrigen, die sich um die Innenwand der Kuppel zogen. Vielleicht ein bißchen größer. Die von Säulengängen geprägte Vorderseite bestand aus perlweißem Marmor, der im gleichmäßig gestreuten Licht des Sonnenuntergangs rosa leuchtete. Der Aston Martin brauste elegant die Schleife der Einfahrt hinauf, die von hohen Palmen mit buschigen Kronen gesäumt war. Ein ganzer Strom von Autos zog sich vor ihm dahin, um die Fahrgäste vor dem Haupteingang des Hotels abzusetzen.
Das El Harhari war Gastgeber des alljährlichen Newfieldsballes, einer Wohltätigkeitsveranstaltung, die Geld für eine verbesserte Bildung unterprivilegierter Kinder in ganz Europa sammelte. An diesem sozialen Aspekt wie auch an dem Ball selbst war nichts bemerkenswert. Jeden Abend fanden in Monaco mindestens ein halbes Dutzend ähnliche Veranstaltungen statt, um Geld aufzutreiben. Das Newfields wurde jedoch durch die Tatsache, daß Julia Evans zu seinem Kuratorium gehörte, weit über das übliche Niveau hinausgehoben, und sein Ball war das gesellschaftliche Ereignis des Monats. Eintrittskarten kosteten siebentausend Eurofrancs das Stück; Schwarzhändler berechneten zwanzigtausend und fluchten darüber, daß sie nur so wenige bekamen.
Dimitri Baronski, Charlottes Förderer, hatte ihr eine Karte besorgen können, obwohl er bestürzt mit dem Kopf geschüttelt hatte, als sie ihn anrief und mit der Bitte konfrontierte. »Was in aller Welt möchtest du denn auf diesem Empfang?« fragte er. Sein dünnes, faltiges Gesicht wirkte
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