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Miramar

Titel: Miramar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nagib Machfus
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doch
Platz!« Sie setzte sich auf einen Sessel und nahm ihr Bündel auf den Schoß. Ich
kehrte voll frischer Energie zu meinem Platz zurück. Dann schaute ich sie an,
ihren kräftigen, anmutigen Körper, ihre Jugendfrische, ihre außergewöhnliche
Schönheit, und war sehr glücklich.
    Um mit ihr in ein Gespräch zu kommen,
fragte ich: »Du sagtest, du heißt Zuchra?«
    »Zuchra Salama.«
    »Woher stammst du, Zuchra?«
    »Aus al-Zijadijrja in der Provinz
Buhera im Nordwesten. «
    »Bist du mit Madame verabredet?«
    »Nein.«
    »Dann willst du ...»
    »Ich bin gekommen, um mit ihr zu
sprechen.«
    »Sie kennt dich natürlich?«
    »Ja.«
    Ihre Jugend und ihre Schönheit
erfüllten mich mit einem Glück, wie ich es schon lange nicht mehr verspürt
hatte. Ich fragte sie weiter: »Lebst du schon lange in Alexandria?«
    »Ich habe nie hier gelebt, aber ich bin
oft mit meinem verstorbenen Vater hier zu Besuch gewesen.«
    »Und woher kennst du Madame?«
    »Mein Vater brachte ihr immer Käse,
Butter, Butterschmalz und frische Hühnchen ins Haus, und ich habe ihn manchmal
begleitet.«
    »Aha, ich verstehe. Und jetzt möchtest
du übernehmen, was dein Vater vorher besorgt hat?«
    »Nein.« Sie schaute zum Wandschirm, als
wolle sie nicht mehr preisgeben, und ich respektierte ihr Geheimnis und mochte
sie deswegen nur noch mehr. Mit all meiner Zärtlichkeit wünschte ich ihr
insgeheim, daß Gott sie beschützen möge.
    Ich küßte ihre magere
Hand, deren Haut wie gegerbtes Leder wirkte, und sagte: »Durch den Segen deiner
Gebete bin ich zu einem Mann geworden, wie es ihrer nicht viele gibt. Komm doch
mit mir nach Kairo!«
    Sie sah mich voller Zärtlichkeit an und
entgegnete: »So gebe dir Gott noch mehr von seinen Wohltaten und Segnungen.
Aber ich werde dieses Haus nicht verlassen. Es ist mein ganzes Leben.«
    Ein enges Haus mit Wänden, von denen
die Farbe abblättert, das die Winde ohrfeigen und an dessen Wänden sich das
Salz des Meeres abgelagert hat, das der Geruch der Fische erfüllt, die am Ufer
der Anfuschi-Bucht zuhauf liegen.
    »Aber du wirst hier ganz allein leben«,
warnte ich sie.
    »Mit mir ist der, der die Nacht und den
Tag erschaffen hat«, entgegnete sie.
    Es klingelte, und Zuchra stand auf, um die Tür zu
öffnen. Madame sah sie erstaunt an und rief dann: »Zuchra! Das ist doch nicht
möglich!« Strahlend über die herzliche Begrüßung küßte ihr das Mädchen die
Hand.
    »Schön, dich hier zu sehen! Gott hab
deinen Vater selig. Hast du geheiratet, Zuchra?«
    »Nein.«
    »Nicht möglich!« Sie lachte laut und
wandte sich dann zu mir: »Zuchra ist die Tochter eines ehrenhaften Mannes,
Monsieur Amir.« Sie gingen zusammen hinein, und ich war bewegt von väterlicher
Zärtlichkeit.
    Als wir uns zum allabendlichen
Beisammensein eingefunden hatten, Tolba, Mariana und ich, erklärte Madame:
»Endlich kann ich mich ein bißchen ausruhen.« Sie schwieg einen Augenblick und
fuhr dann fort: »Zuchra wird bei mir arbeiten.«
    Ein seltsames Gefühl, gemischt aus Freude
und Beklommenheit, bemächtigte sich meiner, und ich fragte: »Ist sie denn
hierhergekommen, um als Hausmädchen zu arbeiten?«
    »Ja, warum nicht? Jedenfalls wird sie
sich in einer hervorragenden Position befinden.«
    »Aber was ...?«
    »Sie hatte einen halben Feddan Land
gepachtet und hat den selbst bestellt.
    Wie finden Sie das?«
    »Sehr schön, aber warum hat sie ihren
Grund und Boden verlassen?«
    »Sie ist geflohen.«
    »Geflohen?«
    »Man hat sie für eine Feudalherrin
gehalten«, spöttelte Tolba Marzuq.
    »Ihr Großvater wollte sie mit einem
Greis in seinem Alter verheiraten, damit sie bei ihm Hausdienste verrichtet.
Den Rest können Sie sich denken.«
    Traurig warf ich ein: »Das ist
gefährlich. So etwas nimmt man im Dorf nicht hin.«
    »Sie hat außer ihrem Großvater
niemanden als ihre ältere Schwester und deren Mann.«
    »Und wenn die herausbekommen, daß sie
hier ist?«
    »Das ist möglich, aber was macht es
schon?«
    »Fürchten Sie sich denn nicht?«
    »Sie ist schließlich kein Kind mehr.
Und ich habe nichts weiter getan, als ihr eine Zuflucht und eine ehrenhafte
Arbeit zu bieten.« Dann nachdrücklich: »Monsieur Amir, ich werde sie nicht im
Stich lassen!«
    Ich werde meine Aufgaben
nicht im Stich lassen, solange Blut in meinen Adern ist, möge die Staatsmacht
mit uns tun, was immer sie will.
    Sie unterwies sie, und Zuchra lernte mit
überraschender Schnelligkeit. Mariana sagte froh: »Das Mädchen ist erstaunlich,
Amir Bey, ganz

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