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Miramar

Titel: Miramar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nagib Machfus
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eine wilde Katze«, grollte er,
»lassen Sie sich nicht davon täuschen, wie hübsch sie in dem Kleid und Madames
grauer Jacke aussieht. Sie ist eine wilde Katze!«
    Ich bin traurig deinetwegen, Zuchra.
Jetzt erst begreife ich, wie allein du bist. Die Pension ist nicht der
geeignete Ort für dich. Und Madame, deine Beschützerin, wird sich nicht
scheuen, bei der ersten Gelegenheit deine Unschuld aufs Spiel zu setzen.
    Nach dem ersten Glas fragte Tolba
Marzuq: »Wer will mir etwas über die Weisheit Gottes erzählen, die sich in
seiner Schöpfung offenbare?«
    Madame, froh darüber, daß das Gespräch
einen anderen Lauf nahm, rief:
    »Vorsicht, Tolba Bey, werden Sie nicht
zum Gotteslästerer!«
    »Sagen Sie mir doch, Madame«, fragte er
und wies auf das Jungfrauenbild,
    »warum war Gott damit einverstanden,
daß sein Sohn gekreuzigt wurde?«
    »Wenn das nicht geschehen wäre, so
hätte uns der Fluch getroffen«, entgegnete sie ernst.
    Er lachte lange und fragte dann: »So
hat uns also der Fluch noch nicht getroffen?«
    Ich tat so, als merkte ich nicht, daß
er mir heimlich einen Blick zuwerfen wollte. Da stieß er mich mit dem
Ellenbogen an und verlangte:»Sie müssen mich wieder mit Zuchra versöhnen, Sie
Schlaumeier!«
    Ein neuer Gast? Etwas in seinem
braunhäutigen Gesicht mit den klaren Zügen deutete daraufhin, daß er ein
Fellache war. Er war mittelgroß, nicht dick, sein Teint von dunkler Bräune. Er
trug eine starke Brille und mochte etwa dreißig sein. Madame ließ ihn am
Frühstückstisch Platz nehmen und stellte ihn uns vor: »Monsieur Sarhan al-Buheri.«
Dann nannte sie ihm unsere Namen und forderte ihn auf, uns mehr von sich zu
erzählen, wenn er das wolle.
    Er sagte mit kräftiger Stimme und mit
der Klangfarbe eines Mannes vom Lande, der in die Stadt gezogen war: »Ich bin
Prokurist in der Spinnerei-Gesellschaft von Alexandria. «
    Nachdem er hinausgegangen war, lachte
Madame vor Freude und gab bekannt: »Auch ein Gast, der länger bleiben will und
zu denselben Bedingungen!«
    Kaum eine Woche später kam Husni Allam,
ebenfalls für einen längeren Aufenthalt. Er war ein junger Mann, nur wenig
jünger als Sarhan, vierschrötig, von heller Gesichtsfarbe, mit einem kräftigen
Körper, der einem Ringkämpfer gut angestanden hätte. Madame sagte, er gehöre zu
den bedeutenden Persönlichkeiten der Stadt Tanta.
    Schließlich stieß noch Mansur Bahi,
Rundfunksprecher im Sender Alexandria, etwa fünfundzwanzig Jahre alt, zu uns.
Sein zartes, schmalgeschnittenes, hübsches Gesicht gefiel mir gut. Ja, er hatte
etwas Kindliches, um nicht zu sagen Feminines. Aber es war vom ersten Moment an
deutlich, daß er verschlossen und introvertiert war.
    So waren also nun alle Zimmer belegt,
und Madame war überglücklich.
    Ich war froh, Menschen begrüßen,
kennenlernen und meinen Hunger nach Begegnungen stillen zu können.
    »Junge, hübsche fröhliche Menschen«,
sagte ich zu Madame, »hoffentlich setzen sie sich zu uns Alten, wenn wir abends
beisammen sind!«
    Glücklich meinte sie: »Jedenfalls sind
es keine Studenten!«
    Bis zum ersten Abend der
Umm-Kulthum-Tage waren unsere Beziehungen zueinander sehr förmlich. Aber damals
erfuhr ich, daß sie die Nacht mit uns zusammen am Radio verbringen wollten, daß
uns also eine angenehme Nacht mit jungen Menschen und Musik bevorstand.
    Sie hatten gemeinsam ein Abendessen mit
gegrilltem Fleisch und Whisky vorbereitet. Wir waren um das Radio versammelt,
und Zuchra bediente uns fleißig. Die Nacht war kühl, aber still. Kein Sturm
heulte. Zuchra sagte, der Himmel sei so klar, daß man die Sterne zählen könne.
Die Gläser kreisten, und Zuchra saß neben dem Wandschirm und beobachtete uns
lächelnd. Nur Tolba Marzuq litt unter einer heimlichen Unruhe. Ein paar Tage
zuvor hatte er mir gesagt: »Die Pension wird zur Hölle werden!« Er fürchtete
sich vor Fremden, denn er zweifelte nicht daran, daß sie über seine
Vergangenheit und die Sequestrierung seines Vermögens gut Bescheid wußten, wenn
nicht über die Zeitungen, so über den Rundfunksprecher Mansur Bahi.
    Madame in ihrer unstillbaren Neugier
hatte alles Wissenswerte aus ihnen herausgelockt. »Monsieur Sarhan al-Buheri
stammt aus der Familie al-Buheri!« Ich hatte von der Familie nie zuvor gehört,
und selbst Tolba Marzuq schien sie nicht zu kennen.
    »Ein Freund hat ihm von der Pension
erzählt, als er davon hörte, wie un-zufrieden er mit seiner alten Wohnung war.«
    »Und Husni Allam?«
    »Monsieur Husni stammt aus der

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