Miras Welt (Mira und Melissa) (German Edition)
Tarotkarten auf ihren Einsatz. Mira mischt die Karten durch und greift eine aus dem Stapel, legt sie mit dem Gesicht nach unten auf den Tisch und beißt erst mal vom Kuchen ab. Mit geschlossenen Augen kaut sie zufrieden vor sich hin. Das Schicksal kann warten, denkt sie sich. Ihr ist ohnehin klar, welche Karte dort liegt und aufgedeckt werden möchte. Dann nimmt sie einen großen Schluck vom duftenden Kaffee und nimmt ihre Blutdrucktabletten ein. Sie ist froh, dass sie in ihrem Alter nicht noch mehr Tabletten braucht als diese.
Sie dreht die Tarotkarte um. Es ist eine Karte aus der Großen Arkana.
„Das Rad des Schicksals“.
Sie hatte es gefühlt, dass bald Wichtiges geschehen würde.
Zur selben Zeit am selben Tag in einem anderen Ort in dieser Gegend macht sich eine junge Frau bereit, das Haus zu verlassen, um zur Arbeit zu gehen. Sie nimmt ihre Handtasche, überprüft vor dem Spiegel den Sitz ihrer kastanienbraunen Haare, die einen Stich ins Kupferrote aufweisen, und nimmt den Schlüssel, der griffbereit in einer Olivenholzschale auf dem Flurschränkchen liegt. Sie freut sich auf ihren Arbeitstag in der Redaktion, obwohl sie im Hals ein Kratzen und ein leichtes Unwohlsein spürt. Heute ist ihr 29. Geburtstag und sie wird für die Kollegen einen kleinen Brunch ausgeben, den sie im Feinkostladen vorbestellt hat. Sie verlässt die Wohnung im 5. Stock, schließt sorgfältig die Tür ab und läuft die Treppe hinunter, überspringt dabei leichtfüßig einige Stufen an jedem Treppenabsatz (und weiß genau, dass sich ihre zänkische Nachbarin, die unter ihr wohnt, darüber ärgern wird, aber das ist ihr heute absolut egal). Im Erdgeschoss angekommen, öffnet sie den Briefkasten und findet einen Brief des Vermieters vor. Sie steckt ihn in die Handtasche, um ihn dann später im Büro zu lesen. „Seltsam“ denkt sie. „Er ist direkt an mich adressiert, obwohl doch Hardy der Mieter ist.“
Sie tritt vor die Haustür und atmet tief und genussvoll ein. Es ist ein herrlicher Sommertag. Weiße Wolken ziehen über die Stadt und es weht ein sanfter Wind, der die Blätter der Bäume am Straßenrand leise singen lässt.
Die junge Frau, ihr Name ist Melissa, steigt gut gelaunt in ihr altes Auto namens „Max“ und fährt nun zur Arbeit. Sie weiß noch nicht, dass noch heute ihr wohlgeordnetes Leben eine große Änderung erfahren wird.
Hätte sie (rein theoretisch, denn sie würde so etwas „Esoterisches“ niemals tun) heute Morgen eine Karte aus dem Tarot gezogen, es wäre wohl „Der Turm“ gewesen.
Rückblick:
Ich bin Melissa Fink und ich möchte Ihnen eine Geschichte erzählen.
Damals, es war ein Montag im Juli und mein 29. Geburtstag, sollte mein Leben sich massiv verändern. Ich stand am frühen Morgen mit Max an einer roten Ampel. („Max“ ist mein alter VW-Käfer. Ich liebte dieses Auto, aber ich hasste rote Ampeln!) Mein Handy, das auf dem Beifahrersitz lag, ließ unerwartet die Anfangstakte von Beethovens Fünfter erklingen. Wer würde mich jetzt auf dem Weg zur Arbeit anrufen? Ich schaute kurz auf das Display. Das konnte doch nur… ja, es war Mutter.
„Hier ist Melissa.“
„Guten Morgen, Melli! Alles Gute zum Geburtstag! Ich liebe dich!“
„Danke, Mutter. Das ist lieb von Dir. Ich bin gerade auf dem Weg zur Arbeit.“
„Oh.“ Ihre Stimme ließ ein ganz leises Zittern hören. „Ich wollte dich nicht stören, entschuldige bitte.“ Die Tonhöhe senkte sich etwas.
„Ich stehe noch an einer roten Ampel, ein paar Sekunden habe ich noch.“
„Nein, nein. Wir legen jetzt auf. Ich will nicht schuld daran sein, wenn du Ärger mit der Polizei bekommst. Ich wollte dir ja nur eine Freude machen und dich als Erste anrufen, weil dein Geburtstag ist.“
Ihre Stimme schlug leicht ins Weinerliche um, ich hasste das! Was hatte ich denn wieder Falsches gesagt?
„Mutter ich freue mich wirklich über deinen Anruf, aber ich muss jetzt gleich weiter, die Ampel schaltet gleich um. Ich rufe dich nachher wieder an! Wir gehen doch heute Abend gemeinsam essen. Du darfst dir auch das Lokal aussuchen.“
Ich hörte nur noch ein leises Schluchzen von ihr, bevor sie die Verbindung unterbrach. Gott, wie ich das hasste! Immer, wenn ich Geburtstag hatte, war sie so schräg drauf.
Die Ampel sprang auf Grün um und ich warf das Handy beiseite, legte den ersten Gang ein, ließ die Kupplung kommen und gab Gas, schaltete in den nächsthöheren Gang und hoffte, dass ich nun ohne weitere
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