Miras Welt (Mira und Melissa) (German Edition)
Zwischenfälle zur Redaktion kommen würde. Vor allem, dass ich pünktlich ankommen würde. Ich hasste es, dass ich so oft zu spät kam!
Mir wurde dann bewusst, dass ich in den letzten paar Minuten mindestens drei oder vier Mal einen „Hassgedanken“ gehabt hatte. Gott, wie ich das….(hasste)!
„Memo an mich: Termin mit meiner Therapeutin machen!“
Ich konzentrierte mich wieder auf den Verkehr und schaffte es, ganz bei mir selbst zu bleiben und ging den geplanten Tagesablauf durch. Zuerst die übliche Morgenroutine in der Redaktion, dann der Brunch mit den Kollegen und anschließend Telefonate und der andere tägliche Kleinkram. Dann nach Hause fahren, mich umziehen, meine Mutter zum Essen abholen, vorher noch tanken, und am späten Abend würde ich mit Hardy telefonieren. Ich vermisste ihn so sehr! Noch ein halbes Jahr, dann würde er aus Washington zurückkommen und hier wieder seinen Job in der Firma seines Onkels übernehmen. Und wir würden wieder jeden Tag zusammen sein! Das war eine freudige Aussicht.
Inzwischen hatte ich den Parkplatz der Redaktion erreicht. Ich schien sogar Glück zu haben, und den Parkplatz unter meinem Fenster nehmen zu können. Ich hatte den Gedanken kaum zu Ende gedacht, als mein Kollege Norbert, genannt Nobby, (möge er von Automardern heimgesucht werden!) mir mit quietschenden Reifen den angepeilten Parkplatz wegnahm.
Er stieg grinsend aus und rief: „Alles Gute zum Geburtstag, Melissa!“
Ich zeigte ihm das zuckersüße, allerfalscheste Lächeln aus meinem Repertoire und parkte wütend auf der anderen Seite des Parkplatzes, neben den Mülltonnen des Hochhauses, ein.
„Der Tag fängt ja wieder mal gut an“, dachte ich und griff nach meiner Edel-Handtasche (der einzige echte Luxus, den ich mir geleistet hatte, seit mein Studentenleben beendet war) und meinem Handy, stieg aus und verschloss gewissenhaft die Autotüren. „Aber hey, heute ist mein Geburtstag! Ich werde mir doch nicht von Nobby die Freude nehmen lassen, nur weil er mir schon wieder zuvorgekommen ist.“ Mit diesem Gedanken betrat ich dann das Gebäude und fuhr im Fahrstuhl zur Redaktion hoch.
Es war der dritte Geburtstag, den ich bei „FRiZ“ feierte.
In der Redaktion wurde ich von meinen anderen Kollegen freudig begrüßt und beglückwünscht. Ich musste lachen, als ich die vielen bunten Luftballons unter der Zimmerdecke über meinem Schreibtisch schweben sah.
„Oh, ihr seid süß! Luftballons, danke! Wer ist denn auf die Idee gekommen?“
„Naja, Nobby war es jedenfalls nicht“, sagte Erika, nahm mich in den Arm und drückte mich herzlich, bis ich in der Parfümwolke, die sie umgab, in Atemnot geriet.
„Alles Liebe und Gute zum Geburtstag, Lissa!“
Ich erwiderte die Umarmung meiner Lieblingskollegin, ging dann zu meinem Schreibtisch und öffnete dort das Fenster, um das Parfüm abzuschwächen, bevor ich meinen PC hochfuhr. Nachdem ich einige E-Mails und die offiziellen Mitteilungen der Chefetage gelesen hatte, fing ich mit der aktuellen Arbeit an.
Ich arbeitete zu der Zeit an einer Reportage über deutsche Landfrauen, die altes spirituelles Brauchtum pflegten, insbesondere über die „Heilerinnen des Dorfes“, die das Wissen der Vergangenheit für die Nachwelt erhalten wollten. Ich hätte lieber eine echte Schamanin aus dem Altaigebirge interviewt, die Kontakte mit Tiergeistern herstellte, das Wetter machte und andere, für Westler seltsame, aber doch höchst eindrucksvolle Aktivitäten pflegte. Aber Linda, unsere Redaktionsleiterin, hatte mein Ansinnen sofort abgewimmelt, und zwar mit einem Hinweis auf die knappen Finanzen des Verlages. Schade.
Auf meiner Liste standen jetzt noch drei Adressen zur Auswahl für ein Interview, zwei davon lagen im Umkreis von 30 Kilometern. Ich warf einen Blick auf die Uhr: In zwei Stunden würde der Brunch geliefert werden. Bis dahin wollte ich den Text der Reportage in die vorläufige Endfassung bringen, die Fotos einarbeiten und die letzten Interviewpartnerinnen ausgewählt haben.
Hoffentlich war die nächste Frau nicht auch wie diese merkwürdige „Möchtegernschamanin“ aus Travemünde, von einem Nöck „vor dem Ertrinken bewahrt worden und lebte seitdem mit ihm in trauter (eingebildeter!) Zweisamkeit.“
Ich wünschte mir von Herzen, eine ernstzunehmende Gesprächspartnerin zu finden. Gab es eigentlich einen Schutzheiligen für geplagte Journalisten?
Während ich darauf wartete, dass eine gewisse Mira Mertens den Hörer abhob, ging ich im Geiste
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