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Miss Daisy Und Der Tote Auf Dem Wasser

Miss Daisy Und Der Tote Auf Dem Wasser

Titel: Miss Daisy Und Der Tote Auf Dem Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carola Dunn
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sie, und sie machte rasch einen Schritt auf den festen Grund des Rasens.
Bugmann und Schlagmann hielten das Boot fest, während die anderen sechs ihre Ruder auf dem Gras auslegten. Dann beugten sich alle acht Ruderer zum Boot hinab.
»Angepackt«, befahl der Steuermann. »Achtung. Und hoch!«
Mit elegantem Schwung kam das Boot aus dem Wasser und wurde kieloben über die Köpfe gehoben.
»Fertig. Abgang!«
Die längliche Schildkröte mit den vielen Beinen wanderte zum Bootshaus. »Den hätten wir in der Tasche, die Damen«, rief sie fröhlich im Gehen. »In einer Minute sind wir bei euch!«
Tish und Dottie hoben jeweils einen Riemen mit dem wein- rot-grün-weiß gestreiften Band auf und folgten der Mann- schaft. Daisy beäugte die verbleibenden vier Meter langen, tropfenden Ruder und beschloß, sich diesmal mit dem Helfen zurückzuhalten.
Auch der Steuermann blieb stehen und starrte seinen Ka- meraden stirnrunzelnd hinterher.
»Ich dachte, Sie hätten gewonnen?« fragte Daisy mitleidig, aber auch verwirrt.
»Was? Ach so, ja, gewonnen haben wir schon.« Der vor- nehme Oxford-Akzent lag etwas unsicher über dem leicht jammerigen Näseln aus den Midlands. »Wir sind ja ein kleines College, das im Grand, also im Großen Rennen, keine Chance hat. Aber den Thames Cup könnten wir schaffen.«
»Doch es scheint nicht so, als würde Sie das besonders glücklich machen. Ach so, ich bin übrigens Daisy Dalrymple, die Cousine von Patricia.«
»Horace Bott. Sehr angenehm. Natürlich freue ich mich, daß wir diesen Durchlauf gewonnen haben«, fuhr er düster fort, »aber selbst wenn wir bis zum Schluß durchhalten und sogar gewinnen, bin ich immer noch ein Außenseiter.«
»Weil Sie nicht rudern?«
»Weil ich nicht der richtigen Familie entstamme, nicht den richtigen Akzent habe, nicht die richtigen Kleider trage und nicht die richtigen gesellschaftlichen Instinkte besitze. Als mir das Stipendium bewilligt wurde, dachte ich, jetzt müßte ich nur noch beweisen, daß ich es auch verdient habe. Aber ich könnte hundertmal als Erster meines Jahrgangs abschlie- ßen, könnte mit Ehren überhäuft werden – mein Vater wäre immer noch ein kleiner Koofmich.«
»Da ist doch nichts Schlimmes dran, Ladenbesitzer zu sein«, versuchte Daisy ihn aufzumuntern. »Napoleon hat zwar behauptet, wir Engländer seien eine Nation von Laden- besitzern, aber besiegt haben wir ihn trotzdem.«
»Ist auch nichts Schlimmes dran, solange wir wissen, was unserem Stand ziemt«, erwiderte Bott mürrisch. »Und das ist jedenfalls nicht ein Studium in Oxford, wo wir auch noch mit den Bessergestellten konkurrieren. ›Bessergestellte‹ – daß ich nicht lache! Die Hälfte der arroganten Snobs, die mich hier wie ein Stück Dreck behandeln, ist nur über familiäre Bezie- hungen nach Ambrose gekommen. Und wenn die alle noch so viele Nachhilfestunden nehmen: die haben Glück, wenn sie gerade mal bestehen.«
Daisy gefiel sein neidischer Tonfall nicht besonders, aber vermutlich hatte er für seine Verbitterung gute Gründe. Außerdem stimmte es: Gervaise hätte ein Studium in Oxford keineswegs seinen schulischen Leistungen zu verdanken ge- habt. Und genausowenig hätte er vorgehabt, dort eine bril- lante akademische Karriere anzutreten. Wahrscheinlich hätte er diejenigen Kommilitonen, die nach höheren Weihen streb- ten, eher verachtet. Schließlich hatte er Daisys Bereitschaft, mit den Angehörigen niederer Schichten zu verkehren, kei- neswegs geteilt.
»Machen Sie denn bei irgend etwas außerhalb der Kurse mit?« fragte sie und fügte ahnungslos hinzu: »Schauspiel- gruppe, Rhetorik-Club, irgendwelche Streiche oder Sport, so was – ach so, Sport treiben Sie ja.«
»Genauso hatte ich mir das gedacht. Daß ich mit dem Sport weiterkäme. Also wurde ich Steuermann, und ich spiele auch Tennis – letztes Jahr hab ich die Blaue Uniform bekommen.«
»Sie spielen Tennis in der Mannschaft der ganzen Univer- sität, nicht nur im College-Team? Ich gratuliere.«
»Alles schön und gut, aber deswegen heben die Aristos nach einem Spiel noch lange kein Bier mit mir«, sagte Bott wütend.
Seine Unbeliebtheit hatte vielleicht weniger mit seiner nie- deren Geburt zu tun als mit der Art, wie er sich im Gekränkt- sein suhlte, schien es Daisy. Fast hätte sie das auch gesagt, be- sann sich dann aber eines Besseren. Einen solchen Hinweis würde er ganz bestimmt in den falschen Hals bekommen, so gut sie es auch meinte. Obwohl Horace Bott ihr leid tat, fand sie ihn deswegen nicht

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