Miss Emergency
mitbekommen, dass man in Kontakt bleiben konnte, ohne dass Bäume dafür sterben mussten.
»Und?«, fragte ich. »Was schreibt sie?«
»Der Kerl aus Queens, den sie irgendwann geheiratet hat, lebt schon länger nicht mehr. Aber ihr Brief klang nicht traurig. Sie führt das gemeinsame Lokal weiter, und das scheint gut zu laufen.«
»Eine Bar?«
»Eher ein Restaurant. Ein Diner. Ich könnte sie fragen, ob du bei ihr wohnen kannst. Vielleicht für vier oder sechs Wochen.«
Bei dem Wort Diner dachte ich an einen chromblitzenden Tresen, an Kellnerinnen in rosafarbenen Kitteln und Jungs in schwarzen Lederjacken, die aussahen wie James Dean. Ich konnte meine Begeisterung schwer verbergen.
Gleichzeitig konnte ich mir sofort Max’ Gesicht vorstellen, wenn ich es ihm sagen würde. Wie er sich schief auf die Unterlippe beißen würde, wie immer, wenn er nach Worten suchte und nicht wusste, was er von etwas halten sollte.
In einem Punkt war ich ganz sicher. Er würde nicht versuchen, mich zurückzuhalten. Max ließ mir viele Freiheiten.
Manchmal gefiel mir das sehr. Manchmal überhaupt nicht.
»Und du glaubst, wenn ich eine Zeit in New York verbringe, wird mir klarer, was ich danach machen will?«
»Nicht automatisch«, sagte mein Vater noch. »Es liegt an dir. Ich bin dir nicht böse, wenn du zurückkommst und dich immer noch nicht entscheiden kannst. Sieh’s mal so: Das ist mein Abiturgeschenk. Wenn es dich weiterbringt, umso besser.«
Als wir das Lokal verließen, drückte er mir den Autoschlüssel in die Hand:
»Aber ich bin noch nicht so oft nachts gefahren«, sagte ich.
»Macht nichts«, sagte er. »Erstens musst du es irgendwann lernen. Und zweitens bin ich bei dir.«
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