Miss Winbolt ist schockiert
Umbauten, Anbauten und die komplette Neuausstattung aller Räumlichkeiten, die nun im ganzen Landstrich als Sehenswürdigkeiten galten.
Emily blickte aus den hohen Salonfenstern auf die nachmittägliche Schlittenpartie. Laura lief hüpfend und mit roten Wangen neben William her. James rannte und rutschte mit Philip den Hang hinter der Brunnenanlage hinunter, während Rosa sich lachend, aber vergeblich bemühte, das Gleichgewicht zu halten. Nach der Geburt ihres Sohnes Richard hatten sie sich eine Zeit lang Sorgen um sie gemacht, doch jetzt war sie wieder voller Lebensfreude.
Emily drehte sich um. Die Diener hatten eben die Kerzen im Salon angezündet, und die Kristalllüster und Girandolen verbreiteten ein bezauberndes Licht, das durch die verspiegelten Wände wieder und wieder reflektiert wurde.
Als sie den Salon zum ersten Mal betreten hatte, war er schmutzig und heruntergekommen gewesen. Nun wirkte er genauso hell und wunderschön, wie sie es sich erträumt hatte. Ihre Blicke glitten über die elfenbeinfarbenen Wände, die weißen Holzdekorationen, die eleganten Kamine und die schimmernden Seidenvorhänge.
Lächelnd drehte sie sich um. An einem Tisch spielten die Deardons mit Rosas Vater Karten. Am anderen Ende saß ihr Großvater und schaukelte seinen Urenkel auf den Knien. Philips Sohn, der erste der neuen Winbolt-Generation, hatte Lord Winbolt wieder neuen Lebenswillen gegeben, und er war eigens durch den tiefen Schnee aus London angereist, um das erste Weihnachtsfest des Babys mitzuerleben. Er lachte in sich hinein, als Richard mit seinen Händchen versuchte, nach seinen Brillengläsern zu greifen. Emily eilte zu ihm. „Soll ich ihn dir abnehmen?“, fragte sie. „Er kann ziemlich anstrengend sein.“
„Noch ein paar Minuten, dann habe ich vermutlich genug. Was ist er doch für ein hübsches Kerlchen!“
Der Lärm in der Eingangshalle kündigte an, dass die Schlittenfahrer zurückkehrten, und mit einem Mal war der Salon voll Leben. Schließlich wurden die Kinder zu Bett gebracht. Als das Kindermädchen Lord Winbolt das Baby abnahm, kündigte er an, sich eine Weile in seinem Zimmer ausruhen zu wollen. Emily begleitete ihn bis zur Treppe. Lächelnd bemerkte sie: „Gib es zu, der Kleine hat dich um den Finger gewickelt!“
„Nein, aber er ist ungewöhnlich aufgeweckt für sein Alter. Ganz ungewöhnlich.“ Er blickte sie ernst an. „Ich will bald ein weiteres Baby sehen. Es muss kein Winbolt sein, ein Ashenden wäre mir auch recht.“
William trat zu ihnen und legte einen Arm um seine Frau. Lächelnd sagte er: „Wir werden sehen, was sich machen lässt. Vielleicht im nächsten Jahr um dieselbe Zeit?“
„Du bist nicht der Mann, für den ich dich halte, wenn ich so lange warten muss, William. Denk an mein Alter!“
„William! Großvater!“, protestierte Emily. „Das ist ein hochgradig unschickliches Gesprächsthema.“
„Nicht in meinem Alter. Haltet euch ran, meine Lieben!“
Später wartete Emily im Schlafzimmer auf William. Sie hatte die Vorhänge zurückgezogen und blickte verzückt aus dem Fenster. Als er den Raum betrat, sagte sie: „Schau! Die Valleron-Juwelen sind nichts gegen diesen Ausblick. Das kann man mit keinem Gold der Welt kaufen.“
Er trat zu ihr und küsste ihren Nacken. Er umfasste sie und blickte auf die mondbeschienene Landschaft. Der Frost hatte den Boden mit einer silbernen Schicht überzogen. Schimmernde Eiszapfen schmückten die Statue inmitten des Zierbrunnens. Die von Bäumen gesäumte Allee war ein Traum in Weiß, und am Himmel leuchteten zahllose Sterne.
Eine Weile betrachteten sie schweigend den Ausblick, dann berichtete William: „Philip hat mir eben erzählt, dass eine gewisse Madame de la Roche auf der Londoner Pall Mall ein illegales Spielcasino eröffnet hat.“
„Das ist ja interessant“, scherzte Emily. „Warum erzählst du mir das?“
„Du musst doch wissen, wo du mich findest, wenn ich nach London reise.“
Emily kannte seinen neckischen Tonfall. „Danke, ich dachte eigentlich, du würdest lieber bei mir bleiben, als dich dem Laster des Spiels hinzugeben.“
„Oh, für mich ist es das Schönste, hier bei dir zu sein! Ganz besonders hier!“ Er blickte zum Bett hinüber. „Aber alte Freunde sollte man nicht vergessen …“
„Wer ist denn diese Madame de la Roche?“, wollte Emily wissen.
„Sie gehörte auch einmal zu deinem Bekanntenkreis. Damals hieß sie Maria Fenton …“
„Das kann doch nicht sein! Ehrlich?“, erwiderte
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