Mission auf Leben und Tod: Roman (German Edition)
die Tommy bei lebendigem Leib aufzufressen schien. Er hoffte nur, dass die Neuigkeiten aus dem Krankenhaus besser waren. Aber so oder so, er würde Anne vom abschlägigen Bescheid der Bank erzählen müssen, wusste aber nicht, wie viele schlechte Nachrichten sie noch ertragen konnte. Anne stand kurz vor dem Zusammenbruch. Es war so offensichtlich. Wenn Tommy starb, wusste er nicht, ob sie sich jemals davon erholen würde. Er wusste ja noch nicht einmal, ob er sich davon erholen würde.
Er lehnte sich auf dem bequemen Korbsessel zurück und schaltete gedankenverloren das Radio an. Gerade rechtzeitig für die Art von Nachrichten, die er jetzt absolut nicht hören wollte:
23 US-Soldaten wurden vergangene Nacht in den nördlichen Vororten von Bagdad getötet oder verwundet. Ein US-Marine-Konvoi wurde nach einem erfolgreichen Einsatz gegen Aufständische auf dem Rückweg von zwei Panzerabwehrraketen getroffen. Laut den vorliegenden Berichten verbrannten mehrere der Männer.
Bei den Raketen handelte es sich vermutlich um Diamondheads, die vor einem halben Jahr vom UN-Sicherheitsrat weltweit geächtet wurden. Es ist dies der vierte Zwischenfall, bei dem US-Soldaten von irakischen Aufständischen mit dieser Waffe beschossen wurden, deren Einsatz von den UN als ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit bezeichnet wird.
Die Nachschublinie führt angeblich vom südwestlichen Iran über den Tigris und von dort nach Bagdad. Das Pentagon ist sich nicht sicher, ob der Iran noch über eigene Vorräte verfügt oder neue Lieferungen dieser Rakete französischer Bauart erhalten hat.
Das französische Verteidigungsministerium gab vergangenen Abend bekannt, dass der Export der Rakete gegen französische Gesetze
verstoße und, soweit bekannt, seit Monaten keine Lieferungen mehr das Land verlassen haben. Zumindest nicht mehr seit der Ächtung durch die UN.
Die US-Militärführung im Irak steht nach eigenen Aussagen wegen des fortgesetzten Einsatzes dieser Rakete vor einem Rätsel. Ein ebenso großes Rätsel dürfte möglicherweise aber die Unfähigkeit des US-Militärs sein, die Nachschublinie, sofern sie existiert, aufzuspüren und zu unterbinden.
Ein US-Marine-Colonel äußerte letzte Nacht: »Das war das fünfte oder sechste Mal, dass wir mit dieser Rakete beschossen wurden. Jedes Mal glauben wir, nun wäre Schluss, aber jedes Mal kommen sie mit noch mehr zurück. Die US-Militärführung im Irak ist davon überzeugt, dass weiterhin Diamondheads nach Bagdad geliefert werden. Nur wissen wir nicht, ob der Iran noch über große eigene Vorräte verfügt oder sie von anderswoher ins Land kommen.«
Der amerikanische Verteidigungsminister hat eine entschiedene Protestnote an die Vereinten Nationen geschickt. Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums verkündete heute: »Die iranische Regierung sollte sich vielleicht daran erinnern, dass wir gegen Saddam Hussein in den Krieg gezogen sind, weil er ständig gegen UN-Resolutionen verstoßen hat.« Er fügte hinzu, dass die kürzlich aus dem Irak zurückgekehrten US-Navy-SEALs den Befehl erhalten hätten, sich für ihre sofortige Verlegung nach Bagdad vorzubereiten. Nach allgemeinem Dafürhalten dürften die Veteranen des SEAL-Teams 10 die Ersten sein, die das Land verlassen.
»Großer Gott!«, entfuhr es Mack auf der leeren Veranda. »Diese Schweinehunde, diese gottverdammten Schweinehunde!« Selbst als Zivilist in diesem ruhigen Landstrich an der nordamerikanischen Küste spürte er in sich die »Stunde des Wolfs«. Es war das zweite Mal seit dem Vorfall auf der Brücke, dass er sich seiner rasenden Wut bewusst wurde.
Im Moment wusste er noch nicht einmal zu sagen, um wen er mehr besorgt war – um Anne, um Tommy, um die Werft, die Stadt oder um »seine Jungs«, die in diesen Hexenkessel zwischen Euphrat und Tigris zurückkehrten. Er wusste, er sollte Abstand gewinnen, aber die langen Jahre bei den SEALs hatten ihn mit den anderen zu einer unverbrüchlichen Gemeinschaft zusammengeschweißt. Barry Mason und Jack Thomas waren ebenso sehr ein Teil von ihm wie Anne und Tommy und Harry. Jetzt zogen sie ohne ihn in die Schlacht. Dafür konnte er nichts. Aber wenn einem von ihnen etwas zustieß, würde er sich für den Rest seiner Tage die Schuld geben, dass er nicht für sie da sein konnte. Er würde sich Vorwürfe machen, dass er nicht das Kommando übernehmen, keine Befehle geben und, wenn nötig, zu ihrem Schutz selbst dem Feind entgegentreten konnte.
Das hatte wenig mit Vernunft
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