Mission Unterhose
auch was lernen«, fuhr Hannes ermutigt fort. »Wenn man zum Beispiel Geheimagent werden will …«
»Willst du?«, fragte Kalli.
»Glaub schon«, sagte Hannes und fürchtete, dass Kalli ihn auslachen würde. Aber Kalli fand es anscheinend das Normalste der Welt, Geheimagent werden zu wollen.
»Okay«, bemerkte er nur. »Wenn ich groß bin, übernehme ich die Show von BIG.«
Die Eieruhr klingelte und sie gingen mit der Pizza und dem ganzen anderen guten Kram ins Wohnzimmer. Dort stand der größte Fernseher, den Hannes jemals gesehen hatte. Er setzte sich aufs Sofa und Kalli kramte ein paar DVDs aus einer Schublade.
»Jetzt pass auf!«, sagte er, während er die erste in den DVD-Player einlegte. »Jetzt kommt BIG!«
BIG war ein großer, ziemlich moppeliger Typ mit langen, blonden Haaren und einer lustigen Knubbelnase. Um den Hals trug er gleich mehrere dicke Silberketten und an den Fingern einige enorme Ringe mit glitzernden Steinen. Als er auf die Bühne kam, sang er das Lied, mit dem Kalli neulich zum ersten Mal in Hannes’ Garten gekommen war, und tänzelte dazu. Alles so, wie Kalli es gemacht hatte. Danach stöckelte BIG die Bühne auf und ab, als ob er hohe Absätze tragen und ein kleines Handtäschchen schwenken würde. »Meine Freuuuuundin«, erzählte er dabei, »die hat mich neulich um ölf Uhr morgens geweckt! Um ööööölf! Wenn ich so früh aus dem Bett springen will, schlaf ich wohl besser in ’nem Toaster, oder wie?« Dann berichtete er, wie seine Freundin ihn zu einem Spaziergang überreden wollte. »Du musst dich mal ein bisschen bewegen«, ahmte BIG sie mit hoher Stimme nach und starrte fassungslos in die Kamera. »BEWEGEN? HÄ? Was meint die mit BEWEGEN?«
»Ich bewege mich STÄNDIG!«, murmelte Kalli.
»Ich bewege mich STÄNDIG!!«, rief BIG. »Wenn ich vor dem Fernseher sitz und auf die Fernbedienung drück … ist das Bewegung oder was ist das? Und wenn die Chips alle sind – da bleib ich nicht einfach sitzen, nee, nee! Da steh ich auf und hole mir neue!«
Hannes kicherte und Kalli boxte ihm begeistert auf den Arm.
»Gut, was? Echt gut, was?! Und jetzt, guck, guck dir das an.«
BIG hatte ein rosa Ballettröckchen angezogen und tanzte mit flatternden Armen auf Zehenspitzen über die Bühne. Er war schon ziemlich witzig, fand Hannes, aber noch witziger war, wie Kalli beim Lachen die Chips aus dem Mund flogen.
Als Kallis Vater den Kopf zur Wohnzimmertür hereinsteckte, war Hannes sich sicher, dass es Ärger geben würde. Ganz bestimmt hatte Kalli nicht gefragt, ob er DVD gucken und die Chips und all das andere Zeug nehmen durfte.
»Zu früh!«, rief Kalli entrüstet. »Warum bist du nicht bei der Arbeit?«
»Keine Lust mehr«, antwortete Kallis Vater und nickte Hannes freundlich zu. »Hallihallo!«
»Hallo«, sagte Hannes verlegen und blickte auf die Pizzaflecken auf dem Sofa und die Chips- und Flipskrümel auf dem Teppich und dem Couchtisch. Es sah insgesamt nicht so aus, wie Eltern es gerne hätten, aber Kallis Vater schien das nicht zu stören.
»Das ist Hannes. Er ist Geheimagent«, gab Kalli kund. »Er hat sich hier reingeschlichen, um Abhörwanzen anzubringen, aber ich hab ihn erwischt.«
»Gar nicht«, protestierte Hannes verschämt.
»Sehr schön«, meinte Kallis Vater. »Und? Was treibt ihr so?«
»BIG gucken«, sagte Kalli.
»Vernünftig. Dann mach ich euch mal Popcorn«, sagte Kallis Vater und verschwand.
Hannes war entzückt. Wenn sein Vater nach Hause kam, wollte er immer in allen Einzelheiten wissen, wie Hannes’ Tag gewesen war und wie er sich fühlte. Und WARUM er sich so fühlte.
Sie guckten die BIG-Show bis zum Ende und Kalli murmelte die Texte mit, er kannte sie alle auswendig. Danach brachte Kallis Vater das Popcorn und sie guckten noch zwei DVDs mit mehreren anderen Komikern. Hannes fand zwei von ihnen sogar noch besser als BIG. Das eine war eine pummelige Frau in einem viel zu engen Superheldenkostüm. Sie nannte sich Wonderwoman und erzählte urlustige Geschichten von ihren vermasselten Helden-Aktionen. Der andere Comedian hieß Herr Humpf, ein winziges, verwirrtes Männlein, das in einem zu großen Anzug steckte. Aber für Kalli war BIG der beste und Hannes widersprach ihm nicht.
»So, jetzt weißte Bescheid«, sagte Kalli, als die letzte DVD zu Ende war.
Hannes hing erschöpft auf dem Sofa. Er hatte in seinem gesamten Leben noch nicht so viel Fernsehen geguckt und so viel wunderbar ungesundes Essen in sich hineingestopft wie heute.
»Genau so
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