Mission Unterhose
fieberhaft, was er Kalli zu seiner Show sagen konnte, ohne ihm weh zu tun.
»Schlecht«, stellte Kalli geknickt fest. »Du fandst es schlecht.«
»Ähm …«, Hannes wollte ihn keinesfalls verletzen und entschied sich für etwas, das sein Vater immer sagte, wenn Hannes irgendetwas völlig misslungen war. »Da muss man differenzieren. Da war einiges sehr Gutes dabei. Aber man kann es noch optimieren.«
»Hä?«, fragte Kalli verwirrt. »Was? Ich versteh kein Wort!«
Hannes brachte ihm behutsam bei, dass man zwischen den guten und weniger guten Witzen trennen und das Ganze noch verbessern sollte.
»Okay«, meinte Kalli bereitwillig. »Sag, was ich machen soll, und ich mach’s.«
»Da muss ich erst analysieren«, antwortete Hannes. »Gründlich untersuchen.«
»Digga, du bist ein Freak«, stellte Kalli bewundernd fest. »’n Fremdwort-Freak bist du. Cool.«
Es war das allererste Mal, dass jemand zu Hannes sagte, dass etwas an ihm cool war. Es fühlte sich extrem gut an, das zu hören. »Das Lied am Anfang war sehr gut«, sagte er. »Aber die Witze … Du solltest nicht einfach nur Witze erzählen. Du musst diesen Quatsch machen, den du sonst immer machst. Grimassen und so. Komische Bewegungen. Und alles muss zusammenpassen. Und dieser Monster-Teil … den musst du weglassen.«
»Echt?«, fragte Kalli bestürzt. »Menno. Und jetzt?«
»Du brauchst ein System«, sagte Hannes.
»Ich hab keine Ahnung von Systemen«, sagte Kalli hilflos.
Hannes machte sich an die Arbeit. Er las sich Kallis Zettel durch und sortierte haufenweise Witze aus. Die übriggebliebenen ordnete er neu und fügte Bemerkungen dazu: ›Hier noch ein lustiger Tanz.‹ ›Wichtig: Stimme verstellen.‹ ›Witz nicht schlecht, aber zu lang.‹ Er arbeitete konzentriert. Kalli hielt ausnahmsweise den Mund und sah ihm andächtig zu.
Irgendwann klingelte es an der Haustür. Kalli lief nach unten, um aufzumachen, und rief sogleich nach Hannes. »Deine Mutter!«
Hannes sah auf seine Armbanduhr. Es war halb neun. Er hatte die Zeit vergessen. Umgehend flitzte er die Treppe hinab. Kalli und seine Mutter waren bereits in eine kleine Diskussion verwickelt.
»Acht Uhr war abgemacht«, sagte Hannes’ Mutter.
»Wir haben FERIEN!«, entgegnete Kalli entrüstet.
Hannes’ Mutter hüstelte. »Trotzdem ist eine Abmachung eine Abmachung. Auch in den Ferien.«
»Aber ACHT!«, empörte Kalli sich. »Acht Uhr ist eine Babyzeit. Da gehen ja noch nicht mal Wurstzipfel ins Bett.«
»Acht Uhr ist die richtige Zeit für Kinder in eurem Alter, um zu Hause zu sein«, widersprach Hannes’ Mutter. »Der frühe Schlaf ist der gesündeste. Und ganz bestimmt mögen deine Eltern so spät am Abend keinen Besuch mehr im Haus haben.«
Kalli wandte sich zum Wohnzimmer und brüllte durch den Flur: »Möchtet ihr noch Besuch im Haus haben?!«
»Nur wenn er uns nicht beim Fernsehen stört!«, kam es von Kallis Vater zurück. »Wer hat denn geklingelt?«
»Hannes’ Mama!«, röhrte Kalli.
Kallis Vater kam aus dem Wohnzimmer und schüttelte Hannes’ Mutter die Hand.
»Schön, Sie kennenzulernen, möchten Sie reinkommen? Wir haben noch Schinkenschnittchen.«
Aus dem Wohnzimmer drangen Schreie und Pistolenschüsse.
»Es läuft gerade Stirb schneller «, teilte Kallis Vater mit. »Sagenhafter Film. Ist mein Lieblingsfilm. Kennen Sie den? Wenn Sie mitgucken möchten …«
»Danke nein«, sagte Hannes und zog seine Mutter von der Haustür fort. Es war höchste Zeit, sie von hier wegzuschleusen.
» Stirb schneller ?«, sagte seine Mutter beunruhigt auf dem Weg nach Hause. »Also … das ist … nun, wir sollten Kalli ganz bald einmal zum Abendbrot einladen. Damit wir ihn ein bisschen besser kennenlernen.«
Hannes war sich wahrhaftig nicht sicher, ob es klug war, wenn seine Eltern Kalli besser kennenlernten.
Er blieb noch lange wach an diesem Abend. Er hatte zu arbeiten. »Sag mir, was ich machen soll, und ich mach’s«, hatte Kalli gesagt, und das nahm Hannes ernst. Er hatte die Zettel mit den Witzen und seinen Notizen mitgenommen und übertrug sie ordentlich in ein leeres Schulheft. Auf der einen Hälfte der Seiten standen die Witze und auf der anderen Seite stand, wie Kalli sie präsentieren sollte. Hannes war sehr zufrieden mit sich, als er sich alles noch einmal durchlas und KALLIS SHOW auf den Umschlag schrieb.
Mission Unterhose
Kalli war beim Frühstück, als Hannes am nächsten Morgen mit dem Heft bei ihm ankam.
»Ich habe einen Plan gemacht«, erläuterte er
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