Mission Unterhose
was will ich auch mal machen«, teilte Kalli ihm ernsthaft mit. «Ich hab auch schon was. So showmäßig. Soll ich mal zeigen? Willst du mal sehen?«
Hannes sah auf seine Armbanduhr. Es war kurz nach fünf. Seine Eltern mussten schon von der Arbeit gekommen sein.
»Ähm«, begann er. »Ich muss eigentlich … eigentlich muss ich jetzt los.«
»Wieso?«, fragte Kalli. »Hast du noch ein Fotoshooting, oder was?«
Hannes kicherte. »Nee, aber meine Eltern machen sich Sorgen, wenn ich nicht da bin. Und um sechs essen wir Abendbrot.«
»Dann gehst du kurz rüber und kommst danach wieder«, beschloss Kalli.
»Gut«, sagte Hannes folgsam. Aber als er Kallis Haus verlassen hatte, ließ er sich Zeit und ging einen kleinen Umweg nach Hause. Er musste nachdenken. Wollte er zurück zu Kalli? Und was sollte er sagen, wenn seine Eltern ihn fragen würden, was er den Tag über getrieben hatte? Sie würden fragen, sie fragten immer und alles, und er brauchte eine gute Antwort. Es würde sonst eine endlos lange Diskussion geben, wenn er vom Fernsehen erzählte.
Als er das Haus betrat, schloss seine Mutter ihn so fest in die Arme, als ob er von einer einjährigen Mondmission zurückgekommen wäre. »Wo WARST du denn?«, fragte sie besorgt.
»Nur bei Kalli«, antwortete Hannes.
»Kalli? Dieser Junge aus dem zweiten Haus?« Hannes’ Mutter runzelte nachdenklich die Stirn. »Was ist das denn für einer, dieser Kalli?«
»Nett«, sagte Hannes. »Der ist nett.« Nett war nicht das passende Wort für Kalli, aber es war immerhin ein Wort, das seine Mutter beruhigen würde. Natürlich wollte sie trotzdem noch mehr wissen.
»Und was habt ihr so gemacht?«
Nun wurde es gefährlich. Hannes war erleichtert, als sein Vater aus der Küche schaute und munter darüber plauderte, was für leckeres Gemüse es gleich zum Abendbrot geben würde. Hannes aß kaum etwas. Er war noch immer pappsatt.
»Geht’s dir nicht gut?«, wollten seine Eltern beunruhigt wissen. »Tut dir irgendetwas weh? Oder hast du Sorgen? Sorgen schlagen auf den Magen. Man muss seine Sorgen aussprechen, das weißt du doch, oder?«
Hannes nickte ergeben. »Ja, weiß ich. Es ist alles gut. Ich hab nur schon was gegessen bei Kalli.« Er zögerte kurz, bevor er weitersprach. »Gemüse.« Das war nicht gelogen, denn auf der Pizza waren auch Tomaten gewesen und Tomaten waren ein Gemüse.
Kallis Show
Nach dem Abendbrot beschloss Hannes, dass er auf jeden Fall noch mal zu Kalli wollte. Er war neugierig auf das, was Kalli ihm zeigen wollte. Vor allem aber hatte er Lust, noch ein paar DVDs zu sehen. Er fühlte sich zwar etwas schuldig deshalb, andererseits musste er ja auch viel nachholen, nach all den Jahren ohne Fernseher.
»Aber«, wandte seine Mutter ein, »ich würde schon gerne noch etwas mehr über diesen Kalli wissen. Er ist keines von diesen Kindern, die den ganzen Tag vor dem Fernseher sitzen, oder?«
»Nein«, sagte Hannes, und das war die Wahrheit, denn den GANZEN Tag saß Kalli bestimmt nicht vor dem Fernseher.
Sein Vater sah ihm tief in die Augen. »Wir vertrauen dir. Und um acht bist du zu Hause.«
»Natürlich!«, sagte Hannes.
Als er bei Kalli ankam, war das Wohnzimmer besetzt. Kallis Eltern lümmelten auf dem Sofa, hatten die Füße auf den Couchtisch gelegt, aßen Schnittchen und schauten einen Film mit einer lauten Schießerei. Kallis Mutter winkte Hannes durch die offene Tür zu.
»Hallo, hallo! Du bist Hannes, richtig?«
Hannes ging zu ihr hinein, um ihr die Hand zu geben.
»Na, du bist ja ein höflicher Herr.« Kallis Mutter war entzückt. »Und was machst du so?«
»Er liest«, sagte Kalli. »So Hefte. Agentenhefte.«
Hannes sah ihn erschrocken an. Kalli hatte offensichtlich keine Ahnung, dass Eltern billige Heftchen nicht gut fanden.
»Fein, fein«, meinte Kallis Mutter unkonzentriert und sah zum Bildschirm, auf dem gerade eine Verfolgungsjagd begann. Jemand raste in einem Auto über eine Brücke und feuerte dabei wie wild auf den Wagen vor ihm. Fasziniert schaute Hannes zu, wie Wagenscheiben splitterten und Reifen zerplatzten.
Kalli zerrte Hannes zur Tür. »Los, komm, den kenn ich schon. Gleich knallt der mit dem Auto über das Geländer und fällt in den Fluss.«
Hannes hatte noch nie einen Actionfilm gesehen. Nur einmal hatte er kurz in einen hineingeschaut. Da war er mit seinen Eltern in einem Elektroladen gewesen. Sie wollten eine Waschmaschine kaufen und Hannes hatte sich schrecklich gelangweilt. »Geh zu den CDs«, hatte seine
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