ich öffne meine Zimmertür einen Spalt. Vielleicht ist es mein Traumprinz und er versucht genau dieselbe Nummer, die ich mir gerade überlegt habe! Leider Fehlanzeige, es ist Irmi, Papas Tante, und ich schließe enttäuscht meine Zimmertür.
Ich grüble und grüble, und dann habe ich die Idee: Ich rufe einfach an, und wenn sich ein Elternteil meldet, frage ich, ob ich mal ihren Sohn sprechen könnte. Und da sie ja zwei von der Sorte haben, werden sie mich fragen, ob ich Anton oder X sprechen möchte, und schon weiß ich, wie der Süße heißt! Genau. Und ein bisschen Daumendrücken meiner Freundinnen könnte auch nicht schaden!
Von:
[email protected] Betreff: Denkt an mich!!!
Datum: Mo., 22 Oktober 18:13:21 ( MEZ )
An:
[email protected] Cc:
[email protected] Sendet mir bitte alle positiven Gedanken, die ihr parat habt – ich versuche jetzt per Telefon herauszufinden, wie der süßeste Typ von Hellenburg heißt …
Eine zittrige Mira
Jetzt mal ganz ruhig bleiben, sage ich zu mir selber, aber leider höre ich nicht auf mich und beschließe, die Aktion bis nach dem Abendessen hinauszuschieben.
Anscheinend habe ich heute noch nicht genügend böse Überraschungen erlebt, denn die nächste wartet schon in der Küche auf mich.
»Tante Irmi hat vorhin angerufen«, sagt mein Vater, als wir alle um den Tisch sitzen. »Sie hat sich die Hüfte gebrochen und wir werden ihren Hund hüten müssen.«
»Ach du Scheiße«, rutscht es mir raus, was mir gleich ein »Also Mira, bitte!« von Mama und ein »Du wolltest doch immer ein Haustier!« von Papa beschert.
»Das ist kein Haustier, sondern eine Krankheit«, wage ich dennoch zu protestieren.
»Eine alte Pottsau!«, ruft Luki vergnügt, während er sich eine Spaghetti um den Finger wickelt.
»Wo hast du denn dieses Wort wieder aufgeschnappt?«,fragt Mama empört. »So was sagt man nicht, hast du das verstanden? Und spiel nicht mit dem Essen herum!«
Mein Vater lässt sich nicht beirren und redet einfach weiter: »Herr Lehmann, der Nachbar, bringt ihn morgen Nachmittag vorbei. Und der Hund bleibt so lange, bis Tante Irmi wieder ganz fit ist.« Er schaut mich über seinen Brillenrand eindringlich an. »Und ich möchte, dass du dich um ihn kümmerst, Mira. Geht das klar?«
»Ja, ja«, murmle ich. Was bleibt mir schon anderes übrig? »Muss ich ihn denn auch schon morgens früh ausführen? Kann sein, dass ich dann zu spät zur Schule komme«, starte ich noch einen Versuch, etwas von der Last abzuwälzen, und habe Glück.
»Morgens übernehme ich den Hund«, verspricht meine Mutter. »Ich kann ihn ja mitnehmen, wenn ich Lukas in den Kindergarten bringe.«
Ich beende mein Abendessen in Rekordtempo und flitze dann wieder in mein Zimmer. Ich habe Wichtigeres zu tun!
Soll ich oder soll ich nicht? Ach egal, ich versuche es. Leise schleiche ich mich in den Flur, schnappe mir das Mobilteil unseres Telefons und setze mich auf mein Bett. Ganz ruhig, Mira, du hast nichts zu verlieren. (Hahaha!) Einatmen, ausatmen, einatmen, ausatmen. So, Mira, du bist jetzt ganz entspannt und plauderst einfach ein bisschen mit der Familie Grüner, als würdest du das montagabends immer machen. Mit relativ ruhiger Hand tippe ich die Nummer ein. Das Freizeichen erklingt und ich versuche, gelassen zu bleiben. Ganz cool.
»Hallo, hier ist der Anton!«
Verdammt, ich habe mit allem gerechnet, nur nicht mit diesem Knirps. »Hallo, Anton, kannst du mir mal sagen, wie dein großer Bruder heißt?«, frage ich, während mir das Herz bis zum Hals klopft. Bitte, bitte, sei so lieb, Kleiner. Spuck den Namen aus!
»Das ist eine alte Pottsau!«, ruft Klein-Anton. »Ein Blödmann!« Dann höre ich, wie er das Telefon hinlegt und sich »Eine alte Pottsau, eine alte Pottsau« singend entfernt.
Dieses Wort scheint wirklich der neueste Hit im Kindergarten zu sein. Ich unterbreche die Verbindung und grüble. Wenn die Lage nicht so tragisch wäre, könnte man über die Sache lachen, aber die Lage ist nun mal tragisch. Nach einigen Minuten drücke ich die Wiederholungstaste. Besetzt. Tja, die Familie Grüner wird sich wundern, warum keiner mehr anruft. Lass dir was Besseres einfallen, Mira!
Warum ist mein Leben
eine einzige Ansammlung von Katastrophen?
I st es wirklich zu viel verlangt, dass auch mal etwas klappt? Nicht dass gestern nur dieser Anruf in die Hose ging. Nein, meine Eltern stritten sich auch noch bis in die Puppen … Meine Mutter hat schon recht: Dank Feng-Shui fließen die Energien hier im