Mit 13 hat man täglich Ärger
schaute
prüfend von einer zur anderen, überzeugte sich, daß Katja wieder in ihr Bett
zurückging, und wandte sich zur Tür.
„Das ist eine Nacht! Du lieber
Himmel, man weiß nicht, wo man anfangen soll!“ murmelte sie im Hinausgehen.
Kaum war sie draußen, stand
Katja wieder auf. „Warte, ich wasch dir erst mal das Gesicht. So, das kühlt
schön“, sagte sie, als sie mit dem feuchten Waschlappen an Petras Bett trat.
„Hast du Durst?“
Petra nickte. Sie sah jetzt
erleichtert und glücklich aus. „Ich bin so froh“, seufzte sie.
„Froh — worüber?“
„Daß du hier bist. Ich meine,
daß es keine von den anderen ist. Du weißt schon. Ich habe mir seit Monaten
gewünscht, daß wir Freunde werden. Aber du schienst so streng und abweisend.
Ich hab mich einfach nicht an dich rangetraut, ich dachte, du magst mich
nicht!“
„Was?“ fragte Katja
fassungslos. „Na das darf doch wohl nicht wahr sein!“ Ihr Herz machte einen
kleinen Hüpfer, und sie gab Petra spontan einen Kuß auf die Stirn. Sie fühlte,
wie sie rot wurde dabei, und um ihre Verlegenheit zu überspielen, jammerte sie:
„Igitt!“
„Was ist?“
Katja hielt ihr feuchtes
Nachthemd weit von sich und sagte mit komischer Verzweiflung: „Dein Tränenmeer.
Ich fühl mich, als hätte ich mir in die Hosen gemacht.“
„Komm, ich helf dir. Hol dir
ein frisches Nachthemd.“ Petra zog sich langsam hoch und richtete sich auf. Im
Gegensatz zu Katja hatte sie beide Arme frei, dafür steckte ihr Oberkörper in
einem Gipskorsett, zwei Rippen waren gebrochen.
„So, diesmal spiele ich
Baby-Anziehen. Mensch, wir sind schon zwei Typen, reif fürs Panoptikum!“
„Du Petra“, sagte Katja, als
sie endlich wieder in ihrem Bett lag, „willst du mir deinen Traum nicht
erzählen?“ Petra schwieg eine Weile.
„Nein“, sagte sie dann zögernd,
„ich glaube, ich möchte ihn niemals irgend jemandem erzählen — ich möchte ihn
nur vergessen, verstehst du?“
„Ja, ich glaube schon. Hat es —
hat es etwas mit deiner Mutter zu tun?“
„Ja. Du darfst nicht schlecht
über sie denken“, fuhr sie nach einer Weile fort, obgleich Katja nichts dergleichen
gesagt hatte. „Sie hat kein sehr glückliches Leben gehabt, weißt du. Sie wollte
eine erfolgreiche Schauspielerin werden. Dann hat sie meinen Vater geheiratet
und für ihn alles aufgegeben. Nach drei Jahren hat er sie verlassen, und sie
hatte nur noch mich. Sie mußte Geld verdienen und hat es sehr schwer gehabt.“
„Ja, ich hab mir so was
Ähnliches schon gedacht.“
„Sie träumt davon, daß ich all
das schaffe, was sie nicht erreicht hat, und mir macht es ja auch Spaß, das
Ballett, die Singerei, das Gitarrespielen. Aber manchmal geht mir der ganze
Rummel so auf den Wecker — kannst du das verstehen? Mutti und ich könnten doch
auch ohne das glücklich miteinander sein. Und wir hätten endlich mal Zeit
füreinander, könnten miteinander reden oder einfach mal rumbummeln, Blödsinn
machen! Aber immer bist du unter Druck, mußt dies noch machen und das — ,aber
Liebling, das schüttelst du doch aus dem Ärmel — bei deiner Begabung!' Wenn ich
mal irgendwo nicht die Erste bin, glaubt sie, ich sei krank oder es läge an der
Gemeinheit der anderen. Ich frage mich manchmal, was sie gemacht hätte, wenn
ich wirklich dumm gewesen wäre. Hätte sie mich dann nicht geliebt? Aber
vielleicht liebt sie mich gar nicht — schläfst du schon?“
„Aber nein, ich hör dir zu!“
„Hört sich an, wie ’ne Beichte,
gell? Aber ich war so enttäuscht, als sie heute hier war. Sie schaut mich an
und redet und redet und sieht mich dabei gar nicht wirklich, sie will gar nicht
wissen, wie’s mir geht.“
„Hast du ihr das schon mal
gesagt? Ich meine, daß du gar nicht scharf darauf bist, ein Star zu werden.“
„Das ist es ja: Ich trau mich
einfach nicht. Ich habe Angst davor, daß sie dann schrecklich enttäuscht ist,
sie würde es gar nicht verstehen.“
„Vielleicht doch?“
„Und dann ist da noch was — weißt
du, man gewöhnt sich daran, was Besonderes zu sein. Erst findet man’s albern,
und schließlich beginnt es Spaß zu machen, daß die anderen einem ständig Honig
ums Maul schmieren.“
„Ich habe nie den Eindruck
gehabt, daß du dir was draus machst.“
„Ja, das ist ja das Komische:
Von dem Tag an, als du in unsere Klasse kamst, war mir der ganze Rummel
Wurscht. Ich hatte nur noch den Wunsch, mit dir befreundet zu sein.“
„Menschenskind — hättest du
doch bloß was gesagt!
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