Mit anderen Augen (German Edition)
Jogging- oder Trainingsrunde geben, jedenfalls nicht für ihn.
Ich bin darüber nicht begeistert, aber ich kann die Tatsache, dass er Recht hat, nun mal nicht ignorieren. Jannik ist kein Kämpfer. Ich will ohnehin nicht, dass er einer wird, aber ich gestehe, es wäre mir lieber, wenn er sich wenigstens verteidigen könnte. Das Problem dabei ist, er will es nicht, und ihn jeden Morgen dazu zu zwingen, würde unserem Leben in Whitefish und vor allem unserer Freundschaft, wie Jannik es mehrfach betont hat, gar nicht guttun.
Daher war es das Klügste, das Thema zu beenden. Stattdessen habe ich mich darum gekümmert, aus unserem Blockhaus eine Festung zu machen, ohne dass es von außen auffällt. Meine bestellten Teile für die Alarmanlage kamen am Wochenende und das Wohnzimmer sah für den restlichen Tag aus wie ein Technikladen.
Jannik und Bob haben mich inmitten von Kabeln, Steckern und dem ganzen anderen Kram, der dazugehört, eine zeitlang beobachtet und sich dann lieber verzogen. Abends war ich fertig und alles sah aus wie zuvor. Jannik hat keine der Kameras gefunden, weder im Haus noch in der näheren Umgebung draußen. Erst als ich ihm die Bildschirme im hinteren Teil des Vorratsraums zeigte, hat er sie entdeckt. Die gesamte Anlage ist an das Stromnetz und einen Generator angeschlossen. Fast jedes Haus hat für alle Fälle einen, falls es im Winter durch den Schnee zu Stromausfällen kommt.
Die Anlage läuft vollautomatisiert und wird Alarm schlagen, sobald jemand ins Haus einbricht oder versucht, sich durch den Wald an uns heranzuschleichen. Wir dürfen nur nicht vergessen, sie jeden Abend und wenn wir das Haus verlassen einzuschalten.
So wie heute zum Beispiel. Nächste Woche ist Thanksgiving und das wird hier in Whitefish offenbar mit jeder Menge Partys gefeiert. Die ersten Touristen für den Winter sind nämlich eingetrudelt, das nutzt die Stadt jedes Jahr für lange und wilde Clubabende, die besonders bei den jungen Leuten beliebt sind.
Jannik will hin und da ich ihn nicht allein gehenlassen wollte, er mir aber klipp und klar erklärt hat, dass ich Gewalt anwenden müsste, um ihn hierzubehalten, muss ich wohl oder übel mitgehen. Ich. In einen Danceclub, wie Jannik den Laden genannt hat. Mit Discokugeln, von deren Lichtspiel man epileptische Anfälle bekommt und einer Musik, die bestenfalls als nicht hörbar bezeichnet werden kann.
Er, beziehungsweise wir beide, wurden vorgestern von irgendeinem Typen beim Bäcker zum Tanzen eingeladen. Mir ist zwar schleierhaft, wie er zu solcher Musik tanzen will, aber das dürfte mein geringstes Problem sein. Mein Problem in der ganzen Sache ist unsere Sicherheit und ich werde mich den ganzen Abend zwingen müssen, bloß nicht darüber nachzudenken, wie viele potenzielle Angreifer in seiner Nähe sein werden und auch in meiner. Wie ich das schaffen soll, ist mir ein Rätsel. Noch dazu, weil wir in dieser Stadt offiziell als Paar gelten und ich mich kaum die ganze Zeit in irgendeine Ecke verziehen kann, um die Umgebung im Auge zu behalten.
„Du willst so in den Club?“, fragt Jannik, als ich ins Wohnzimmer komme, lässt seinen Blick sehr langsam an mir herunterwandern und rümpft schließlich die Nase. „Warum schreibst du dir nicht gleich das Wort 'Profikiller' in Spiegelschrift auf die Stirn?“
„Soll ich?“, frage ich lauernd, denn meine Laune wegen diesem Plan ist ohnehin nicht die Beste, was auch Jannik begreift, denn er verzieht zwar das Gesicht, sagt aber nichts mehr. „Dein Glück“, murre ich und greife nach meinem Mantel, wobei mir auffällt, was für Sachen Jannik trägt. „Was soll das eigentlich sein, das du da an hast? Ein Stofffetzen aus der Mülltonne?“
Er schnappt entrüstet nach Luft und streicht dabei sein Shirt glatt, das in meinen Augen mehr Löcher als Stoff hat. „Das ist modern.“
„Sagt wer?“, will ich wissen und ziehe meinen Mantel an.
„Als ob du Ahnung von Mode hast, mit deiner schwarzen Hose und dem schwarzen Rollkragenpullover. Hast du eine Vorstellung, wie heiß es in dem Club werd...?“ Er unterbricht sich mitten im Wort und sieht im nächsten Moment erneut an mir herunter. „Sag' mir nicht, dass du ein Messer dabei hast?“
„Drei.“
„Drei? Bist du verrückt?“ Er springt von der Couch auf und kommt auf mich zu, um mich zu umrunden. „Wo hast du sie? Die kannst du unmöglich mitnehmen.“
„Wenn du es schaffst, sie mir abzunehmen, bleiben sie hier“, schlage ich amüsiert vor, was mir von Jannik
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