Mit anderen Augen (German Edition)
nickt und lässt den Kopf hängen. „Nein, hätte ich nicht. Aber ich wünschte, ich hätte genug Schneid dafür gehabt.“
„Du bist kein Killer, Jannik, und du solltest dir auch nicht wünschen, einer zu sein.“
„Und warum nicht?“, fragt er trotzig und sieht mich an. „Du bist doch auch einer und dir steigt nicht die Galle hoch, wenn du mal drei Tropfen Blut siehst.“
Ich tippe mir vielsagend gegen die Stirn, was Jannik schnauben lässt, aber auf eine Diskussion über meinen Job werde ich mich nicht mit ihm einlassen. Er ist dafür ungeeignet und das wird sich auch niemals ändern. Ich werde nicht zulassen, dass es sich ändert. Mein Blick fällt auf seinen Hals. Und ich werde nie mehr die Hand gegen ihn erheben.
„Ich werde dich nicht mehr anfassen.“
Jannik braucht einen Moment, bis er begreift. „Schon mal was von dem Wort 'Entschuldigung' gehört?“
Ich muss ungewollt schmunzeln und damit er es nicht merkt, stehe ich auf und hole ihm ein Kühlpad aus dem Gefrierfach, das ich in ein Küchenhandtuch einwickle, damit er es an seinen Hals legen kann.
„Das ist keine Entschuldigung“, meint Jannik, nimmt das Handtuch aber an.
„Ich weiß“, sage ich schlicht und da seufzt er, weil ihm klar wird, dass er auf eine verbale Entschuldigung lange warten kann. Jannik hätte sie verdient, das weiß ich, aber ich bringe die dafür nötigen Worte nicht über die Lippen.
„Sag' mir wenigstens den Grund.“
Wieso war mir klar, dass er nicht so schnell aufgibt? „Jannik...“
„Komm' mir nicht so“, unterbricht er mich angesäuert. „Ich habe dir von meinem Vater erzählt, jetzt bist du dran. Wieso, Zack? Du hättest mich vorhin fast umgebracht.“
Das kann ich schlecht leugnen. „Ich weiß.“
„Warum?“, hakt er erneut nach, als ich nichts mehr sage.
„Ich war sauer.“
Jannik verdreht sichtbar frustriert die Augen zur Decke. „Danke, das wäre mir nie aufgefallen.“ Er lässt zu, dass Bob sich auf seinem Schoß zusammenrollt. „Was soll das Ganze eigentlich?“
„Was meinst du?“, will ich wissen.
Jannik nimmt das Handtuch von seinem Hals und deutet damit auf mich. „Na was wohl? Das Joggen, das Schießen, dieser Quatsch mit der Selbstverteidigung...“
„Das ist kein Quatsch und das Schießen war deine Idee.“
„Herrgott, Zack!“, schimpft er los und Bob beschwert sich miauend, bevor er von Janniks Schoß springt, uns beide böse ansieht und aus der Küche verschwindet. „Er ist so eine Diva“, murrt Jannik und sieht Bob kurz nach, um sich dann wieder mir zuzuwenden. „Beantworte einfach die Frage.“
„Du musst lernen, dich zu verteidigen“, erkläre ich trocken, aber das wird ihm nicht als Antwort reichen.
„Und wozu?“ Jannik wirft das Handtuch samt Kühlpad auf den Tisch und schiebt den Stuhl zurück, um aufzustehen. Er fängt an, den Tisch abzuräumen. „Ich meine, sieh mich doch an, Zack. Was du vorhast ist Utopie. Ich werde nie so trainiert sein wie du und ich will es auch gar nicht, verstehst du. Ich weiß, dass das Ganze kein Spiel ist, aber ich bin nicht so naiv zu glauben, dass ich eine Chance hätte, wenn hier auf einmal die Yakuza vor der Tür steht. Es ist egal wie oft wir joggen oder trainieren, ich werde keine Chance haben, Zack.“
Ich weiß, was er vorhat und das gefällt mir gar nicht. „Das kannst du nicht wissen.“
Er lacht und räumt die Wurst zurück in den Kühlschrank, bevor er mich wieder ansieht. „Zack, komm' schon. Wie lange tötest du bereits Menschen? Wie viele Jahre hast du dafür trainiert, um so ein Kämpfer zu werden? Ich kann da nicht mithalten, das weißt du.“
„Jannik, wenn ich verletzt werde...“
„Bin ich tot“, unterbricht er mich so ruhig, dass er mir mit seinen Worten eine Gänsehaut über den Rücken jagt.
Er weiß genau, wie gering seine Chancen sind, und ich weiß es auch. Jannik ist sehr wohl bewusst, dass er ohne mich nicht überleben kann. Nicht gegen die Yakuza. Aber ich will, dass er überlebt. Ich will, dass er ein Leben hat und ich weiß gleichzeitig, dass er so hilflos wie ein Kind ist. Und es macht mich wütend, dass ich dagegen nicht viel tun kann. So wütend, dass ich heute Morgen die Fassung verloren und ihn fast getötet habe.
Verdammt.
VIII
Wir haben darüber diskutiert.
Fast eine Woche lang haben wir uns gestritten, miteinander geredet, wieder gestritten und wieder geredet. Am Ende habe ich Jannik seinen Willen gelassen und nachgegeben. Es wird keine weitere
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