Mit anderen Augen (German Edition)
Bob mit mir auch schon gemacht, ich fühle mit dir, ganz ehrlich, aber...“ Er bricht ab, sieht aufs Bett und lacht wieder los.
So gern ich beleidigt sein möchte, es geht nicht. Da kann der Kater mir aufs Bett kotzen, soviel er will. Janniks Lachen ist zu ansteckend.
Am Ende lachen wir gemeinsam, bevor ich die Bettwäsche runter in die Waschmaschine bringe und er das Frühstück vorbereiten geht. Wir haben auf dem Rückweg frische Brötchen geholt und als ich zu Jannik in die Küche komme, stellt er diese gerade auf den Tisch.
Obwohl wir schweigen, ist es ein angenehmes frühstücken. Ich stelle keine Fragen, weil ich die Stimmung zwischen uns nicht gleich wieder ruinieren will und Jannik ist damit beschäftigt, Bob mit Wurst direkt am Tisch zu bestechen. Ich beobachte die Beiden amüsiert, denn der Kater frisst nicht alles. Im Gegenteil. Er ist äußerst wählerisch und die Blicke, die er Jannik zuwirft, sobald der eine in Bobs Augen schlechte Wurst aussucht, sind göttlich. Ich kann gar nicht anders als zu grinsen und gleichzeitig so tun, als würde ich nichts mitbekommen, weil wir Bob natürlich nie am Tisch füttern würden.
Das hat Jannik mir zu Beginn unserer Flucht mal nebenbei und sehr entrüstet in einem Hotelzimmer erklärt, als ich den Kater auf meinem Schoß gefüttert habe. Tja, soviel dazu.
„Er hat mich lächerlich gemacht“, sagt Jannik nach einer Weile in die Stille der Küche hinein. „Immer wieder. Vor seinen Freunden, seinen Geschäftspartnern, sogar vor diesen alten Typen im Golfclub. Ich habe mir schon als Kind gewünscht, er würde sterben.“
Ich weiß im ersten Moment nicht, ob ich nachhaken soll, aber dann tue ich es doch. „Warum war er so?“
„Ich war die Enttäuschung seines Lebens“, antwortet Jannik und gibt Bob noch ein Stück Wurst.
Er lächelt dabei, aber es ist ein trauriges und resigniertes Lächeln, das mir ein seltsames Gefühl in der Magengegend beschert, für das ich keine Worte habe. Ich weiß nur, dass mir dieses Lächeln an ihm nicht gefällt und ich will, dass er aufhört so unglücklich auszusehen. Lieber streite ich mich wieder mit ihm. Mit Wut kann ich umgehen, aber das hier mag ich nicht.
„Er wollte einen Sohn, der sein ach so tolles Geschäft übernehmen kann. Stattdessen hat er einen schwulen Freak gekriegt, der lieber die Nacht vorm Computer verbringt und sich in Foren herumtreibt. Der Spiele spielt, statt Statistiken und Einkaufszahlen zu kennen. Er hat nie verstanden, dass mich das nicht interessiert.“ Jannik streicht Bob liebevoll über den Kopf. „Ich wollte immer mit Computern arbeiten, weil ich das gut kann. Ich kann anderen helfen, ihnen alles Mögliche erklären. Ich hatte darüber nachgedacht, zu studieren und Lehrer zu werden. Mein Vater hat mich ausgelacht, als er es zufällig mitbekam. Lehrer würden ständig arbeiten und dabei nichts rausbekommen. Ihm ging es immer nur um sein Scheißgeld. Er hat nie verstanden, dass mir das völlig gleichgültig war. Ich wollte einen Vater, kein Bankkonto mit unbegrenztem Limit.“
Sein Vater kann sich mit meinem in der Hölle die Hand reichen. Die beiden hätten sich prächtig verstanden. „Und deine Mutter?“, hake ich nach, weil ich nicht glauben will, dass er seine ganze Kindheit über so allein war. Dabei haben meine Recherchen genau das ergeben. „Deine Schwester? Habt du dich mit Selina verstanden?“
Jannik schüttelt den Kopf und lehnt sich auf dem Stuhl zurück. „Sel und ich...“ Er seufzt leise. „Ich mag meine meine Schwester wirklich, sie und Mum, aber es ist schwierig zu erklären. Sie haben ihr Leben gelebt und ich meins. Wir hatten nie viel gemeinsam. Mum hat gesagt, dass das Geld einen anderen Menschen aus meinem Vater gemacht hat. Dass er nicht so war, als sie sich kennenlernten. Mit der Zeit wollte er einfach immer mehr Geld verdienen, alles andere war unwichtig für ihn. Also fing sie an auf Partys zu gehen, um irgendwer zu sein. Wäre ich nicht zu jung gewesen, hätte ich es vielleicht auch so gemacht. Selina macht es jetzt auch. Ich nehme es ihnen nicht übel, warum auch?“
Er ist nicht sauer auf seine Mutter und seine Schwester, das kann ich an seiner Stimme hören und irgendwie verstehe ich ihn. Geld verdirbt Menschen. Ein wahrer Spruch, Janniks Familie ist der beste Beweis dafür. Mein Vater war ebenfalls ein Beweis dafür. Jannik und ich sind uns viel ähnlicher, als er ahnt. Einen Unterschied gibt es aber doch.
„Du hättest ihn nie töten lassen.“
Er
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