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Mit Blut signiert - Ein Caravaggio-Roman

Mit Blut signiert - Ein Caravaggio-Roman

Titel: Mit Blut signiert - Ein Caravaggio-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Beynon Rees
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Johannes, eine Magdalena und David. Ich verpacke sie richtig, wenn wir auf dem Schiff sind. Ich habe jetzt keine Zeit mehr dafür, weil ich schnell zum Hafen muss.» Er schwang sich auf den Sitz neben dem Fuhrmann. Als die Maultiere den Karren anzogen, berührte er mit der Hand Costanza an der Schulter. «Ihr werdet Fabrizio bald wiedersehen, Herrin.»
    «Gebe es Gott. Dann kann uns nichts mehr trennen. Ich werde nie wieder etwas von dir erbitten. Seitdem du ein Junge warst, hast du so viele Opfer für mich gebracht.»
    Er wollte widersprechen, aber sie hob die Hand, um ihn zum Schweigen zu bringen. «Ich weiß, dass du mein Haus Fabrizio zuliebe verlassen hast. Ich kann aber kaum ermessen, was dich das gekostet hat. Mehr musst du nicht bezahlen.»
    Das wird aber auch Zeit
, dachte er. Sein verletztes Auge schielte, und sie, die Hände aufs Herz gelegt, war nur noch ein verschwommener Fleck, als der Karren aus dem Tor fuhr.
    Die Maultiere zogen zum Strand hinunter. Caravaggio sah die Bucht, die sich bis zum sattgrünen Dunst Posillipos erstreckte. Das Wasser war ein zitterndes, goldenes Schimmern. Die See war jetzt sein Schicksal.
    Als der Fuhrmann das Ende der Straße erreichte, wollte er nach Santa Lucia zum Hafen abbiegen. Caravaggio packte sein Handgelenk. «Nicht da lang.»
    Schulterzuckend riss der Mann an den Zügeln und fuhr wieder landeinwärts. Sie zogen hügelauf, fuhren hinter dem Palazzo Stigliano und dem Rand des Spanischen Viertels herum. Caravaggio dirigierte den Kutscher zu einem Tor in einer langen, unscheinbaren Fassade. Er flüsterte dem Mann ein paar Worte zu, gab ihm einen Beutel voll Münzen und sprang ab. Er ging durchs Tor und durchquerte einen sonnigen Mandarinen- und Zitronenhain. Er summte die Melodie eines alten bolognesischen Liedes.
Du bist der leuchtende Stern, heller als alle anderen Frauen
. Am Ende des Hofs lehnten vier bewaffnete Männer an der Wand einer Kapelle. Ihre Gesichter waren streng und abweisend. Über ihnen baumelte eine rote Flagge in der schwülen Windstille. Das weiße Ordenskreuz der maltesischen Ritter.
    ∗
    In ihrem Arbeitszimmer schrieb Costanza einen Brief an den Großmeister der Ritter. Sie setzte ihn darüber in Kenntnis, dass Caravaggio unter dem Schutz del Montes nach Rom zurückgekehrt sei und in Scipiones Haushalt eine Stellung bekleiden würde. Sie wollte den Mann, der den Schlüssel zu Fabrizios Freiheit in der Hand hielt, wissen lassen, dass sie sich eines einflussreichen Verbündeten aus dem Gefolge des Papstes versichert hatte, und glaubte, dass ihr Sohn nun freigelassen werden musste.
Ich grüße Euch untertänigst und bete zu Gott um Euer Wohlbefinden
, schloss sie.
Aus Neapel, 18. Juli 1610
.
    Der endlose Abhang des Vesuv erhob sich bis zu seinem gewaltigen Krater jenseits der Bucht. Die Sonne strahlte so gleißend auf dem Wasser, dass Costanza noch stärker als sonst das Gefühl hatte, aus dem Norden zu kommen und in diesem südlichen Irrenhaus aus leuchtenden Farben und Menschengewimmel fehl am Platz zu sein. Die ferne Stadt Caravaggio, in der sie ihr erwachsenes Leben zugebracht hatte, war klein, das Wetter fast das ganze Jahr über feucht und neblig. Unten von der Straße stieg das raue Geschnatter des neapolitanischen Dialekts zu ihr herauf, und sie sehnte sich nach Hause.
    Sie ging durch die Loggia des
Piano Nobile
und dann die Haupttreppe hinunter. In Abwesenheit des Künstlers, den sie liebte, zog es sie in sein Atelier. Sie dachte an ihre Tage als junge Mutter, als Michele und Fabrizio ihren Palast mit Leben erfüllt hatten – bevor ihr Mann sie voneinander getrennt hatte.
    Auf der Kellertreppe blieb sie stehen und sog den Geruch der Farben ein. Sie rechnete damit, dass der Raum leer sein würde, doch in der Luft würde noch die Erinnerung an sein Werk hängen, der süße Duft nach Leinsamen. Sie würde ihn dort finden, obwohl er selbst nach Rom gegangen war.
    Der Keller war dunkel, aber nicht leer. Sie ging zum Fenster, stolperte über eine Karre. Sie fiel um, und sie hörte das Geklapper von Pinseln, die auf die Sandsteinfliesen polterten. Sie stieg auf die Stufe unter dem Fenster und stieß die Läden auf. Die Sonne fiel auf eine Leinwand auf einer Staffelei. Es war die
Magdalena
, die Caravaggio Kardinal Scipione hätte mitbringen sollen. Sie trat näher heran. Sie kannte das Gesicht der Frau, die er gemalt hatte, obwohl sie ihr nie begegnet war. Auf seinen Bildern hatte sie oft genug die dichten Augenbrauen, die gerade Nase und den

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