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Mit Blut signiert - Ein Caravaggio-Roman

Mit Blut signiert - Ein Caravaggio-Roman

Titel: Mit Blut signiert - Ein Caravaggio-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Beynon Rees
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zu sich zu holen. Lasst uns darüber reden, wie ich Euch mit Kardinal Scipione helfen kann.»
    «Was nützt mir Eure Hilfe jetzt noch? Lena ist tot. Was soll ich noch in Rom?»
    «Erlösung finden. Künstlerischen Ruhm.»
    Caravaggio schob die Hand des Inquisitors weg.
    «Na schön, wie wär’s mit dem Kopf auf Euren Schultern?», sagte della Corbara. «Weil klar ist, dass Ihr hier bald tot sein werdet.» Er stieß mit dem Finger gegen Caravaggios vernarbte Wange.
    Der Künstler schrie auf vor Schmerz.
    «Ich kenne mich mit Folter aus, Michele, aber ich bin nicht gnadenlos.»
    Caravaggio kam es so vor, als verlöre er innerhalb von Sekunden seine Muskelkraft. Das Atmen fiel ihm unerträglichschwer. Sein Gesicht verzerrte sich wie das eines wütenden Kindes, das versucht, sich eine Träne zu verdrücken. «Sie hatte eine schöne Seele.»
    Della Corbara umfasste Caravaggios Hals wie ein Verführer, der ihn zum Kuss an sich ziehen wollte. «Geht nach Rom. Das wollt Ihr doch. Für Euch selbst.»
    «Ich will gar nichts mehr.»
    «Und was ist mit Euren Gemälden? An was sollen die Leute denken, wenn sie Eure Werke sehen? Unschuld und die Seelen der Märtyrer? Oder Mord?» Die Hand strich jetzt liebkosend durch Caravaggios Haare. «Geht nach Rom und rettet Eure Gemälde. Selbst wenn Ihr glaubt, unwürdig zu sein, selbst gerettet zu werden, muss Euer Werk gerettet werden.»
    Della Corbara spielte mit einem Mörser und Stößel auf dem Tisch. «Ihr arbeitet nach der Natur. Indem Ihr zeigt, was Ihr seht, enthüllt Ihr die tiefste Bedeutung Eurer Gegenstände. Aber was, wenn Ihr den Auftrag bekämet, den Rat der Zehn, der die Republik Venedig regiert, zu malen?»
    «Wie meint Ihr das?»
    «Durch eine Laune der Geschichte der Serenissima sitzen tatsächlich siebzehn Männer im Zehnerrat. Wenn Ihr den Rat malen würdet, würdet Ihr dann zehn Männer malen, sodass jedermann wüsste, dass es sich um den berühmten Rat der Zehn handelt? Oder würdet Ihr siebzehn Männer malen, sodass sich jedermann fragen müsste, was Ihr da abgebildet habt?»
    «Wollt Ihr mich hereinlegen?»
    «Ich bin ein Inquisitor. Ihr könnt Euch sicher sein, dass ich Euch stets hereinzulegen versuche.» Er stand steifbeinig auf. «Aber als Leonetto, der Kaufmannssohn aus Salerno, möchte ich Euch warnen. Wenn Ihr meint, dass sich die Natur beobachten und auf eine Leinwand bannen lässt, dann vergesst Ihr, dass die Geheimnisse der Menschen nicht so leicht zu durchschauen sind. Im Herzen gibt es keine Hell-Dunkel-Malerei, keine vonden Schatten ausgehenden Strahlen. Die Seele liegt in vollständiger Dunkelheit. Nur Gott bringt sie ans Licht.»
    Er ging zur Tür. «Nachdem Ihr Malta verlassen habt, hat mich der Kardinalnepot nach Rom gerufen, um ihm zu berichten, was vorgefallen ist. Dort habe ich Lena kennengelernt. Ich habe ihr von Euch Geschichten erzählt. Ich habe ihr vor ihrem Tod die Absolution erteilt, Michele. Sie ist nun bei Christus.»
    Caravaggio spürte, wie seine Brust sich verengte. Er sah die Falle, die für ihn aufgestellt war. Nicht von della Corbara oder Scipione, nicht von Tomassoni oder Roero. Sie war vom Allmächtigen aufgestellt, und er spürte, dass ihre Fangeisen jederzeit zuschnappen konnten.
    «Wenn Ihr in den Himmel kommen und mit Lena vereint sein wollt, müsst Ihr für Euch selbst in den Augen der Kirche Vergebung finden. Ansonsten wisst Ihr ja, wohin Eure Reise geht.» Der Inquisitor deutete mit Zeige- und kleinem Finger nach unten – das Teufelszeichen. «Vollendet die Gemälde für Kardinal Scipione. Dann könnt Ihr nach Rom kommen und Gnade vor Gott finden. Ich werde mich in anderen Geschäften für die Heilige Inquisition noch zwei Wochen in Neapel aufhalten. Kehrt mit mir nach Rom zurück. Wir werden gemeinsam vor dem Porträt, das Ihr von ihr als Loreto-Madonna gemalt habt, für Lenas Seelenheil beten.»
    Della Corbara ging die Treppe hinunter. Er war schon außer Sichtweite, als Caravaggio noch einmal seine Stimme hörte. «Inzwischen bete ich für Euch. Ihr seht todgeweiht aus. Aber lasst meine Gebete nicht vergeblich sein.»
    ∗
    Caravaggio starrte in den Spiegel und bereitete sich auf sein Selbstporträt vor. Der Mund stand offen, als wäre Caravaggio gerade eine größere Entfernung gelaufen und ränge heftiger alsüblich nach Luft. Das verletzte Auge hing schief über der Wunde in seiner Wange. Das Spiegelbild verschwamm, und er blinzelte entmutigt. Die Angst vor dem, was er sah, zeichnete sich auf seinem Gesicht ab.

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