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Mit Blut signiert - Ein Caravaggio-Roman

Mit Blut signiert - Ein Caravaggio-Roman

Titel: Mit Blut signiert - Ein Caravaggio-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Beynon Rees
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Ranuccio anlegst, bekommst
du
Scherereien.»
    Caravaggio zog die Hand zurück. «Ich werde schon mit ihm fertig.»
    «Er ist nicht allein. Da sind noch seine Brüder und sein Vater und jedermann in diesem Viertel, der je von ihnen Arbeit bekommen oder der sie je darum gebeten hat, sich in einer dunklen Gasse einen Feind vorzuknöpfen und mit heraushängenden Eingeweiden liegen zu lassen.»
    Caravaggio seufzte und blies die Backen auf.
    «Die Leute halten
mich
für verrückt, Michele, und ich gebe zu, dass es Zeiten gibt, in denen ich rotsehe. Du weißt schon, was ich meine.» Onorio grinste schief. «Aber du gehst ein großes Risiko ein. Du bist mein Freund. Ich kann das nicht zulassen.»
    «Dann sei bei mir, wenn ich gegen ihn kämpfe.»
    Onorio trat einen Schritt zurück. Caravaggios Nacken zuckte, Angst, Leidenschaft und Erregung durchströmten jede Faser seiner Muskeln. Seine ganze Gestalt war in Aufruhr, obwohl er ganz still dastand. Er hatte das Gefühl, aus seinem eigenen Körper herausgetreten zu sein und nun von außen zu beobachten, wie all seine Regungen unter die Herrschaft einer fremden Macht gerieten.
    «Mein lieber Freund, ich habe gesehen, wie du aus wenigen Schritten Entfernung Steine auf Menschen geworfen und ihnen mit der flachen Klinge deines Schwerts auf den Kopf geschlagen hast.» Onorio schürzte die Lippen und atmete aus. «Aber gegen Ranuccio kämpfen? Darüber sollte man nicht mal Scherze machen.»
    Caravaggio stand zitternd im lichtlosen Eingang. Die Nacht war über Ortaccio, den «Garten des Bösen», hereingebrochen. Er verschmolz mit der Dunkelheit, bis er nicht mehr zu sagen wusste, ob er in einen Traum geraten war, in dem ihm übermenschliche Kräfte zuteilwurden.
    «Einen Mord kann man nicht einfach übermalen, Michele.
Pentimenti
, die man Reue nennt, die Änderungen, die man am Winkel eines Arms oder am Umriss eines Halses auf der Leinwand vornimmt. Einen Kampf mit einem Mann wie Ranuccio kann man nicht bereuen. Er endet blutig.»
    Caravaggios Atem ging stoßweise. Er kehrte zurück aus dem Trugbild der Unwirklichkeit, schlüpfte wieder in seinen Körper, vertrieb die Schwärze der Nacht aus seinen Gliedern.
    «Ich halte zu dir, wenn es zu Gewalt kommt», sagte Onorio. «Aber tu mir einen Gefallen und lass es gut sein. Ich muss an meine Frau und fünf Kinder denken.»
    «In Ordnung», flüsterte Caravaggio. Die Nacht umgab ihn noch, beherrschte ihn aber nicht mehr.
    «Überlass Ranuccio seinen Huren.» Onorio lachte. «Die Syphilis wird dieses Arschloch umbringen. Gib ihm das Geld.»
    «Du hast recht. Ich werde bezahlen.» Sie umarmten sich lachend.
    Zwei Männer kamen am Torbogen vorbei und gingen zielstrebig den Corso hinunter. «Das ist der kleine Prospero mit diesem Mistkerl Gaspare.» Onorio rief: «He, Prosperino!»
    Die Männer drehten sich um. Sie waren klein und fein herausgeputzt. Prospero war Lombarde wie Caravaggio, zehn Jahreälter und rundlich in den Hüften. Er hatte einen Vollbart, der an den Schläfen schon grau wurde.
    «Michele, ich freue mich, dass du frei herumläufst.» Prosperos hervortretende Augen schienen fast an den Seiten seines Kopfes angebracht zu sein. Sein Mund reichte unter einer langen Oberlippe von Ohr zu Ohr wie bei einer der antiken Grotesken an den Wänden der römischen Katakomben, die er in seine Gemälde übernahm, ein Gesicht, das jederzeit über die schmutzigsten Witze zu lachen bereit war. Er holte aus und klatschte Caravaggio beide Hände auf die Schultern. «Wenn du auf dem Corso flanierst, bedeutet das, dass du nicht im Knast bist und ich für dich keine Kaution aufbringen muss.»
    «Die Nacht ist noch jung. Wart mal ab, bis er anfängt Ärger zu machen.» Onorio griff mit den Fingern in Gaspares Schnurrbart und zwirbelte ihn. «Tut das weh, kleiner
Finocchio

    Gaspare strich seinen Schnurrbart wieder in die hängende Form, die ihm gefiel. «Nur ein bisschen.»
    «Dann schreib da mal ein Gedicht drüber. Deine Gedichte anzuhören tut weh. Also sollten sie auch von Schmerz handeln.»
    Gaspare lächelte und zwinkerte wie über einen tiefsinnigen persönlichen Scherz. Unter seinen Augen und an den Nasenflügeln war die Haut gerötet und fleckig. «Hier kommt ein Vers: Fasst Onorio mich am Barte harsch, trete ich ihm in den Arsch und blase ihm den Marsch.»
    Sie applaudierten, und Onorio gab dem Dichter einen gutmütigen Schubser.
    «Bravo, der Blödel-Boccaccio der Zote.» Prospero forderte Gaspare auf, sich zu verbeugen. «Also, los

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