Mit dem Blick aufs weite Meer
hätte, hinter seine Maske zu schauen? Vielleicht hatte er genauso viel Angst wie sie, weil er sie auch liebte.
“In zwanzig Minuten geht eine Maschine nach Vancouver”, bemerkte Barney. “Oder willst du, dass ich dich hinfahre?”
“Nein.” Angela biss sich auf die Lippe. “Auch ohne Zeugen wird es für mich peinlich genug werden.”
“Dann werde ich jetzt gehen und einen Flug nach Vancouver buchen.”
Noch nie im Leben hatte sie sich vor etwas so sehr gefürchtet wie vor dieser Wiederbegegnung. Was sollte sie tun, wenn Kent sie nicht sehen wollte?
Später bestieg sie das Flugzeug wie in Trance und bekam den Start gar nicht mit. Plötzlich stand die Stewardess neben ihr und fragte teilnahmsvoll: “Sind Sie aufgeregt? Wir werden einen ruhigen Flug haben.”
“Danke, es geht mir gut”, erwiderte Angela.
In Vancouver reichte Angela dem kanadischen Zollbeamten ihren Ausweis. Danach ging sie zum Wechselschalter und tauschte hundert US-Dollar in kanadische Währung um.
Anschließend betrat sie eine der Telefonzellen und suchte aus dem Telefonbuch die Adresse der Firma Ferguson heraus und stieg dann in ein Taxi.
Kents Geschäftsräume waren genauso, wie sie erwartet hatte: gediegen und elegant und lagen hoch oben im elften Stockwerk. Die elegante Vorzimmerdame passte genau hierher.
Angela trat an ihren Schreibtisch.
“Ich möchte zu Mr. Ferguson.”
Die Dame lächelte sie in eingeübter Weise bedauernd an. “Mr. Ferguson hat im Augenblick sehr wichtige Termine. Kann ich Ihnen vielleicht behilflich sein?”
Eine Tür hinter Angela wurde aufgerissen. Ein hagerer, geschäftig aussehender Mann stürmte aus dem Zimmer, schloss vorsichtig die Tür hinter sich und warf wütend einige Papiere auf den Schreibtisch der Vorzimmerdame.
Er machte seinem Ärger mit leiser, vor Aufregung zitternder Stimme Luft. “Patricia, dieser Mann ist unmöglich! Was ist in letzter Zeit nur mit ihm los? Sieh, was er sich jetzt ausgedacht hat! Ich sage dir, all diese Zeichnungen stimmen nicht!”
Patricia drehte Angela den Rücken zu und redete beruhigend auf den Mann ein. “David, versuch das selbst zu regeln. Er ist heute nicht in der besten Verfassung, aber du wirst es …”
Der hagere Mann erklärte leise: “Wenn Kent mir noch einmal so eine Szene macht, kann er sich nach einem anderen Architekten umschauen!”
Angela konnte sich nicht vorstellen, dass Kent jemals Szenen machte. Sie griff nach einem der goldenen Ohrringe. Gedankenverloren spielte sie mit der kleinen Möwe.
Patricia und der Architekt unterhielten sich gedämpft miteinander. Angela hielt den Atem an und schlich sich hinter ihnen vorbei zur geschlossenen Tür. Sie drehte den Knauf und betrat kurz darauf das Zimmer.
Kent stand am Fenster mit Blick aufs Meer. Angela drückte hinter sich die Tür ins Schloss und lehnte sich dagegen.
Jetzt drehte er sich herum. “Patricia, sag diesem…” Fassungslos sah er Angela an. Zwischen ihnen befand sich ein großer Schreibtisch. Schritt für Schritt ging Angela darauf zu. Plötzlich ertönte von der Sprechanlage ein Summton.
Kent trat an den Schreibtisch und drückte einen Knopf. “Patricia, was ist?”
“Mr. Harmon ist in Leitung eins. Sie wollten, dass er Sie zurückruft.”
“Ich bin nicht zu sprechen”, erklärte Kent energisch.
“Was wird aus Ihrer Verabredung zum Mittagessen mit dem Tredway Konsortium?”
“Verschieben Sie es.”
Er hatte bis jetzt noch kein Wort mit Angela geredet, aber er hatte sie nicht eine einzige Minute aus den Augen gelassen. Jetzt ging er langsam um den Schreibtisch herum und kam auf sie zu.
“Warte, Kent…”
Unvermittelt blieb er stehen. In seinen Augen lag ein seltsamer Ausdruck, den Angela nicht deuten konnte.
Sie schluckte. “Ich … ich bin gekommen, um dir etwas zu sagen.” Ihr Mund war wie ausgetrocknet, und die Worte, die sie sich auf dem Flug hierher zurechtgelegt hatte, fielen ihr nicht mehr ein. Kents Krawatte saß schief. So nachlässig gekleidet hatte sie ihn noch nie gesehen. “Meine Eltern wollen, dass ich nach England komme”, begann sie überstürzt.
Er vergrub die Hände in den Taschen. “Ist das der Grund deines Besuchs? Wolltest du mir mitteilen, dass du wegfährst?”
Verzagt schüttelte sie den Kopf.
Plötzlich wurde er blass. “Bist du schwanger?”
Sie verneinte. Wie gut, dass sie es nicht war, denn die Vorstellung schien für Kent entsetzlich zu sein. Was sollte sie eigentlich noch hier? “Warum hast du dieses Mittagessen
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