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Mit geschlossenen Augen

Mit geschlossenen Augen

Titel: Mit geschlossenen Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melissa Panarello
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seither habe ich keinen seiner Anrufe mehr angenommen und werde es auch nie wieder tun, das schwöre ich. Ich hasse diesen Typen: Er ist ein Wurm, ein schleimiger Wurm, den ich nicht noch mal am Hals haben will.
An all dies dachte ich also, an all dies und an Valerio, die Stirn in Falten gelegt, die Augen starr auf einen unbestimmten Punkt gerichtet. Als ich mich schließlich irgendwann von meinen lästigen Gedanken losriss, begegnete ich seinem Blick, der etwas Leichtes und sehr Sanftes hatte; wer weiß, wie lange er mich schon beobachtet hatte. Ich sah ihn an, und er sah mich an, in immer kürzer werdenden Abständen; wenn wir den Blick einmal abwandten, mussten wir ihn gleich wieder auf den andern werfen, es war wie ein Zwang. Seine Augen schauten tiefgründig und offen, und diesmal habe ich mir nichts vorgemacht und absurde Phantasien gesponnen, um mir wehzutun und mich zu bestrafen, diesmal habe ich wirklich geglaubt, was ich sah, und ich sah seine Augen, sie waren da, sie schauten mich an, und sie schienen mir sagen zu wollen: Ich will dich lieben und ich will dich kennen lernen, aber richtig, durch und durch. Nach und nach habe ich ihn ein wenig genauer betrachtet: Er saß, eine Zigarette in der Hand, mit untergeschlagenen Beinen auf dem Boden ‒ volle Lippen, eine etwas hervortretende, aber wohl geformte Nase, Augen wie ein arabischer Prinz. Was er mir da schenkte, war etwas, das mir gehörte, nur mir. Er sah keine andere an, er sah mich an, nicht wie die Männer auf der Straße mich oft ansehen, sondern voller Offenheit und Ehrlichkeit. Ich weiß nicht, warum, aber ich musste plötzlich ganz laut lachen, es kam einfach über mich; ich war so glücklich, dass ein Lächeln nicht genügt hätte, es zum Ausdruck zu bringen. Giorgio schaute mich belustigt an, fragte, was ich hätte. »Nichts«, sagte ich mit einer wegwerfenden Handbewegung und drückte ihn, um meinen Heiterkeitsanfall zu überspielen. Als ich mich wieder umdrehte, sah ich, dass er mich anlächelte und mir seine wundervollen weißen Zähne zeigte; da wurde ich plötzlich wieder ruhig und sagte mir: So, Melissa, und jetzt sieh zu, dass er dir wieder entwischt, hm? Zeig ihm, dass du dumm und doof und total beknackt bist ... und vor allem, steig sofort mit ihm ins Bett, lass ihn nicht warten!
Während ich das dachte, ging ein Mädchen an ihm vorbei und fuhr ihm mit der Hand durchs Haar; er hat sie kurz angeguckt, dann rückte er ein wenig zur Seite, um mich besser sehen zu können.
In diesem Moment lenkte Giorgio mich ab: »Meli, komm, lass uns woanders hingehen. Mir knurrt der Magen, ich hab keine Lust, noch länger zu warten.«
»Och, bitte, Giorgino, nur noch zehn Minuten, du wirst sehen, bald wird was frei ...«, bat ich ihn, weil ich mich von diesem Blick nicht losreißen wollte.
»Okay, alles klar ... Irgendein interessanter Macho in Sicht, oder was?«
Ich nickte lächelnd.
Giorgio seufzte. »Melissa, wir haben doch so lange über diese Sache gesprochen«, sagte er. »Lass einfach mal eine Zeit lang locker, die schönen Dinge kommen von selbst.«
»Diesmal ist es anders. Komm schon, bitte ...«, bettelte ich wie ein verwöhntes kleines Kind.
Er seufzte noch einmal und meinte, sie würden in die Lokale nebenan reinschauen; wenn es dort Platz gab, musste ich mitkommen und damit basta.
»Na gut«, erwiderte ich, todsicher, dass man um diese Uhrzeit nirgendwo einen Platz finden würde. Ich sah sie in die Eisdiele mit den japanischen Schirmen über den Tischen reingehen und lehnte mich wieder an die Laterne, bemüht, so wenig wie möglich zu ihm rüberzuschauen. Plötzlich stand er auf; ich glaube, ich bin puterrot angelaufen; aus lauter Verlegenheit wandte ich mich zur Straße und tat so, als würde ich auf jemanden warten, der jeden Moment in einem Auto vorfahren sollte; meine dünne indische Seidenhose flatterte in der Meeresbrise.
Da hörte ich seine warme, tiefe Stimme hinter meinem Rücken: »Worauf wartest du?«
Ich musste plötzlich an ein altes Kinderlied aus einem Märchenbuch denken, das mein Vater mir einmal von einer seiner Reisen mitgebracht hat. Während ich mich nach ihm umdrehte, kam es mir ganz spontan und eigentlich ungewollt über die Lippen: »Ich warte in der finstren Nacht, klopft wer ans Tor, wird aufgemacht, nach dem Pech da kommt das Glück und ein Herre ohn' Geschick.«
Wir schwiegen eine Weile und machten ernste Gesichter.
Dann brachen wir in Gelächter aus. Er hat mir seine weiche Hand gereicht, und ich hab sie sanft,

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